Seelenflüstern (German Edition)
wie …«
»Du musst dringend mal deinen Schrank aufräumen, Lilian.«
Ich lachte. »Ich bin ein hoffnungsloser Chaot.«
»Das warst du schon immer.«
Alden strahlte eine Art von Anspannung aus, die ich so nicht an ihm kannte. Ich sah in seine Augen, dann dämmerte es mir. »Irgendwas ist passiert. Was ist los, Alden?«
»Psst. Lass uns einfach fünf Minuten lang so tun, als wäre alles ganz normal.« Er vergrub das Gesicht an meinem Hals.
»Alden, was ist?«
»Bitte, Lilian. Ich will dich bloß festhalten.«
»Sag es mir.«
Er zog mich unter sich und küsste mich. Es war kein sanfter Kuss wie am Strand und auch kein romantischer, leidenschaftlicher wie in seinem Zimmer. Dieser Kuss war verzweifelt, hungrig und traurig.
Ein Abschiedskuss.
Dann ließ er mich los, setzte sich auf die Bettkante und drehte mir den Rücken zu.
»Lilian, Zak hätte dich gestern Abend beinahe umgebracht. Das konnte ich nicht zulassen. Meine Aufgabe istes, dich zu schützen. Also habe ich dich mit dem einzigen Mittel gerettet, das ich in dem Moment zur Verfügung hatte. Ich bin mit meiner Seele in seinen Körper eingedrungen und habe ihn bedroht.«
Jetzt wurde mir einiges klar. »Deshalb hat er angehalten. Er hat mir dir geredet.«
Mit Tränen in den Augen sah Alden mich an. »Du bist in diesem Zyklus so frisch wiedergekommen, so voller Leben und so vielversprechend. Ich konnte nicht noch mal mitansehen, wie du stirbst. Vor allem nicht so. Lieber sterbe ich selbst.«
Die brutale Bedeutung seiner Worte traf mich wie ein Blitzschlag. Mir blieb fast das Herz stehen. Alden hatte eine absolute Grundregel des RF gebrochen: Er war außerhalb einer Dämonenaustreibung in den Körper eines Sterblichen eingedrungen. Ein so schwerer Verstoß eines Wächters führte zu seiner Stilllegung. Das konnte doch nicht wahr sein! Sie würden ihn hinrichten.
»Nein, Alden.« Ich sprang aus dem Bett und nahm zärtlich sein schönes Gesicht zwischen die Hände. Ich gab mir Mühe, weder die Wunde an seinem Hals noch die auf der Wange zu berühren. »Nein, Alden. Es muss einen Ausweg geben.«
Er schüttelte den Kopf. »Es gibt keinen. Diese Regel steht über allen anderen. Als ich sie gebrochen habe, wusste ich genau, was das bedeutet. Es ist bloß eine Frage der Zeit, Lilian.«
»Nein, aber wenn du …«
Er stand auf. »Bitte sag nichts. Es ist vorbei. Wenn wir dagegen ankämpfen, verschwenden wir nur das bisschen gemeinsame Zeit, das uns noch bleibt. Ich werde gehen, ohne zu betteln oder zu jammern. Ich hatte ein gutes Leben – viele sogar. Und dafür bin ich sehr dankbar.«
Ein Funke Hoffnung glühte in mir auf. »Viele Leben. Ja, das stimmt. Dann können wir im nächsten Zyklus wieder zusammen sein.«
Er schüttelte das Haar aus seinen Augen. »Nein, Lilian. Man wird mich stilllegen. Körper und Seele. Bevor ich sterbe, zerstören sie mein Seelenmal. Ich komme nicht mehr zurück. Niemals.«
Eisige Schauer krochen mir über den Rücken. Nur langsam sickerte die wahre Bedeutung seiner Worte in mein Gehirn … komme nicht mehr zurück … Niemals. Blieb mir denn nicht einmal die Hoffnung, ihn im nächsten Zyklus wiederzusehen?
Mit zittrigen Beinen ging ich im Zimmer auf und ab und ärgerte mich, dass ich so wenig Ahnung hatte. Ich wollte mich an meine vergangenen Leben erinnern, wollte Rose sein.
»Rose wüsste, was sie für dich tun kann«, sagte ich.
Er sah mich an. »Rose wüsste, dass sie nichts machen könnte. Das war’s, Lilian. Die Dienststelle öffnet um acht Uhr. Sicher kommt gleich der Anruf. Dann geht alles seinen Gang. Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Bitte lass die paar Minuten, die wir noch haben, friedlich sein.«
Ich warf mich in seine Arme und hielt ihn fest. Das konnte doch nur ein Albtraum sein, aus dem wir gleich aufwachen würden. Irgendetwas musste ich doch tun können.
»Wie haben sie es herausgefunden?«
Er streichelte meinen Rücken. »Ich habe mich gestern Nacht selbst angezeigt.«
Ich machte mich von ihm los. »Aber warum denn bloß? Warum?«
»Weil du es irgendwann herausbekommen hättest, und das ist sehr gefährlich.« Er nahm mein Gesicht zwischen seine Hände und wischte mir mit dem Daumen eine Träneab. »Sicher hättest du dann versucht, mich zu schützen und wärest dafür am Ende selbst stillgelegt worden. Das konnte ich nicht zulassen.«
»Sie hätten es nie erfahren!«, schrie ich.
Er zog mich wieder an sich. »Wenn ich meine Seele in einen anderen Körper schicke, finden sie es heraus.
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