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Seelenflüstern (German Edition)

Seelenflüstern (German Edition)

Titel: Seelenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Lindsey
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Mann musterte Alden mit gerunzelter Stirn. Paul verließ seinen Posten innen an der Tür, wo er bis eben gewartet hatte. »Bitte entschuldigen Sie. Draußen steht Seelenflüsterin 102. Sie will unbedingt eine Aussage machen. Anscheinend ist sie ziemlich erregt. Etwas in der Art habe ich noch nie gespürt.«
    Alden vergrub das Gesicht in den Händen.
    Der alte Mann sprach nun zum ersten Mal. Auch seine Stimme kam mir bekannt vor. »Interessant. Sie soll warten. In einer Viertelstunde haben wir für sie Zeit.«
    Paul nickte und verschwand durch die Tür.
    Race und ich sprangen gleichzeitig vom Monitor zurück, aber es war völlig klar, dass wir gelauscht hatten. Paul starrte erst uns an, dann den Bildschirm.
    Er räusperte sich. »Vielleicht warten wir am besten oben«, sagte er.
    Nervös rutschte ich auf dem Rattansessel auf der Hotelterrasse herum. Aus dem Foyer, wo ein Pianist und ein Gitarrist die Gäste unterhielten, drifteten leise Jazzklänge zu mir heraus. Es gab kein Papier, mit dem ich meine Finger beschäftigen konnte. Deshalb versuchte ich, die Gitarrenakkorde nachzugreifen, die ich hörte. Paul ging im Korridor mit den bodentiefen Fenstern auf und ab. Das einfallende Sonnenlicht schimmerte auf den alten persischen Teppichmustern. Race hatte an der Bar ein paar Drinks getrunken; jetzt lehnte er mir gegenüber an der Wand.
    Das Hotel fühlte sich an wie ein Spukhaus. Von Racewusste ich, dass es als eine Art trotzige Antwort nach dem Hurrikan von 1900 gebaut worden war. Als 1915 wieder ein schlimmer Sturm über die Insel hinwegfegte, wurde im Galvez Hotel eine gigantische Party gefeiert. Drinnen tanzten die Gäste, draußen tobten Wind und Regen. Die Bewohner von Galveston hatten sich nicht geschlagen gegeben, doch die Insel hatte sich nie wieder ganz von den Sturmschäden von 1900 erholt. Viele Reedereien hatten ihren Sitz längst in den geschützten Hafen von Houston verlegt; doch Galveston war nicht totzukriegen. Das Galvez Hotel war der Beweis.
    »Spürst du irgendetwas, Race?«, fragte ich.
    Er setzte sich neben mich. »Nein. Deine Angst blockiert alle anderen Schwingungen. Die Seelenflüsterer der Kommission sind ziemlich alt und haben viel Übung darin, ihre Gefühle nicht abstrahlen zu lassen. Dagegen hauen mich die Signale, die du gerade aussendest, fast um. Wie Starkstrom. Cool bleiben, Lilian. Unser junger Freund Paul ist ein Wächter, für ihn bist du ziemlich leicht zu durchschauen. Angst hilft dir jetzt nicht weiter. Angst ist zu billig. Damit verschaffst du dir keine Anerkennung. An deiner Stelle würde ich mir möglichst nicht anmerken lassen, dass bei dir diesmal etwas anders läuft als früher. Hier ist die Kacke mächtig am Dampfen, und dein Gedächtnisverlust könnte gegen dich verwendet werden.«
    »Miss? Man wird Sie jetzt empfangen.« Mit einer Handbewegung forderte Paul mich auf, ihm zu folgen.
    Race kam ebenfalls mit. Doch er musste draußen vor der Tür warten.
    Bevor ich eintrat, blieb ich kurz stehen. Alden schaute mich an. Seinen Blick konnte ich nicht deuten. Ich sah nur leere graue Augen. Er stand auf und legte seinen USB-Stick auf den Tisch.
    »Alles Weitere überlasse ich der Seelenflüsterin.« Alden streifte mich im Vorbeigehen.
    Der Mann mit der Halbglatze stand auf. »Wächter 438, das Komitee hat Sie noch nicht entlassen.«
    Alden reagierte nicht. Im Vorbeigehen nahm er sein Handy aus Races Hand.
    »Wir müssen ihn aufhalten«, sagte die Frau.
    Der alte Mann hob die Hand. »Nicht nötig. Er wird sich nicht weit entfernen. Er läuft nicht vor uns weg, sondern vor ihr.«
    Alle starrten mich an.

 D R E I S S I G

    S etzen Sie sich, Seelenflüsterin 102.« Der alte Mann zeigte auf den Stuhl am anderen Tischende. Dabei sah er mir forschend in die Augen. Woher kannte ich ihn bloß? Während ich zu meinem Platz ging, musste ich an Races Worte denken. Angst ist zu billig. Damit verschaffst du dir keine Anerkennung. Ich starrte die Überschrift auf dem Dokument an, das vor mir auf dem Tisch lag.
    Stilllegungsanhörung: Wächter 438
Regelwidriges Eindringen in die Hülle eines Sterblichen
    »Was können wir für Sie tun?«, fragte der Halbglatzenmann, bevor ich weiterlesen konnte.
    Die förmliche Frage stachelte meinen Zorn sofort wieder an. Gut, denn dann hatte ich weniger Angst. »Lassen Sie meinen Wächter gehen.«
    »Sie müssten doch selbst am besten wissen, dass das völlig unmöglich ist«, antwortete die Frau.
    Ich krallte die Finger in die Tischkante. »Das sehe

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