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Seelenflüstern (German Edition)

Seelenflüstern (German Edition)

Titel: Seelenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Lindsey
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denen wir einander mit demselben Einfühlungsvermögen begegnen sollten, das wir den Gestrandeten entgegenbringen.«
    Mein Herz schlug so heftig, dass ich glaubte, alle im Raum müssten es hören.
    Mit angehaltenem Atem hörte ich Charles weiter zu. »Sie haben heute für so ein Wunder gesorgt. Sie haben uns die Zusammenhänge aufgezeigt und uns Aldens Verstoß in einem anderen Licht sehen lassen. Deshalb sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass sein Vorgehen gerechtfertigt war. Wir werden seine Seele nicht stilllegen.«
    Endlich traute ich mich wieder, Luft zu holen. Meine Lunge schmerzte, als wäre ich zu lange unter Wasser gewesen.
    »Wir verhängen allerdings eine Bewährungsfrist«, fügte Charles hinzu. »In genau einem Monat finden Sie und Alden sich hier zu einer weiteren Besprechung ein. Bis dahin erlauben wir Ihnen nicht, Ihre Aufgabe als Seelenflüsterin niederzulegen. Sie und Alden werden auch in den nächsten vier Wochen ihre Pflichten erfüllen und zusammenarbeiten. Wir hoffen, dass Sie Ihre Entscheidung dabei noch einmal überdenken und doch eine Seelenflüsterin bleiben.«
    Charles nickte den anderen zu. Sie verließen den Raum. Er und ich blieben allein an dem langen glänzenden Tisch zurück. Paul streckte den Kopf herein. »Ophelia sagte, Sie wollen mich sprechen, Sir?«
    Charles faltete das oberste Blatt Papier von seinem Stapel in Viertel und machte noch ein paar weitere Knicke. »Ja. Ich würde mich gerne ein paar Minuten lang mit Seelenflüsterin 102 unter vier Augen unterhalten.« Mit geübten Fingern bog er die Ecken des Papiers nach innen. »Verstehen Sie, worum ich Sie bitte, Paul?«
    Paul warf einen Blick hinauf zu der Glashalbkugel mit der Kamera. »Ja, Sir. Ich kümmere mich darum.« Damit verließ er den Raum und schloss die Tür hinter sich.
    Stumm sah ich zu, wie Charles die halb fertige Papierfigur in der Handfläche drehte. Er lächelte mich an, dann zog er an den abstehenden Kanten.
    »Sie sagten, Sie wären in meinen ersten Zyklen mein Mentor gewesen.« Ich nickte in Richtung des Papierkunstwerks, das er mit erstaunlicher Geschwindigkeit weiter veränderte. »Haben Sie mir das auch beigebracht?«
    Selbst wenn er mich ansah, arbeiteten seine Finger ohne Unterbrechung. »Ja.«
    Ich verschlang die Hände im Schoß, damit ich nicht in Versuchung kam, meine eigene angefangene Faltfigur zu vollenden.
    »Und Sie? Haben Sie inzwischen alle Puzzleteile richtig zusammenfügen können?« Das Papier in seinen Händen knisterte.
    »Sie sind der Älteste, dem Rose ihre Bitte vorgetragen hat.«
    Er lächelte. Dann legte er die fertige Papierrose auf die glänzende Tischplatte. »Selbst die Ältesten des Rates dürfen sich nicht in die Wiederkehr der Seelen einmischen. Nicht einmal, wenn es sehr gute Gründe dafür gibt.« Er stand auf und ging zur Tür. »Haben wir uns verstanden?«
    Ich verließ ebenfalls meinen Platz. »Ja. Vollkommen.«
    »Vermutlich ist es am besten, wenn Sie Ihrem Wächter das Ergebnis der Anhörung selbst mitteilen.« Charles zwinkerte mir zu und legte mir Aldens USB-Stick in die Hand. »Geben Sie ihr Bestes, Seelenflüsterin 102. Dass jemand vom RF eine zweite Chance bekommt, passiert nicht oft. Nutzen Sie sie.«
    Draußen nickte er Paul zu.
    Paul brachte mich wieder hinauf in die Lobby, wo Race nervös hin- und hertigerte.
    Als ich ihm sagte, wie das Komitee entschieden hatte, stieß er einen so lauten Freudenheuler aus, dass die anderen Hotelgäste uns erschrocken anstarrten. Nachdem er mir mit seiner Umarmung fast die Rippen gebrochen hatte, lud er Paul auf ein paar Drinks an die Hotelbar ein.
    Ich sah zu, wie Paul sich neben Race auf einen Hocker setzte. Race legte seinen Ausweis vor, und der Barkeeper gab ihm ein Bier. Der gefälschte Ausweis überraschte mich nicht. Beim RF rechnete ich inzwischen mit allem. Diese Leute lebten in einer Welt, die jedem, der nicht eingeweihtwar, völlig irreal vorkommen musste. In einer Welt voller Geister, in der es Himmel und Hölle gab. In einer Welt, in der viel Wichtiges getan wurde. Meiner Welt.
    Blinzelnd trat ich hinaus in den Sonnenschein. Wo ich Alden finden würde, wusste ich genau. Ich rannte die Einfahrt des Hotels hinunter, über den Seawall Boulevard und dann die Treppe hinab, die zum Strand führte.
    Es war der Strand, von dem die glückliche Erinnerung stammte, die Alden mir gezeigte hatte. Zum allerersten Mal spürte ich beim Rauschen der Wellen inneren Frieden und nicht Angst.
    Bevor ich von der untersten Stufe in

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