Seelenflüstern (German Edition)

schicken.«
    »Ja. Ich weiß, wie das geht. Keine Ahnung, woher. Aber das ist ja auch egal.«
    Als Zak eindrang, hätte ich am liebsten geschrien. Es tat schrecklich weh. Vielleicht lag es daran, dass er sich an der Grenze zum Aggrot bewegte. Ich spürte seine Gefühle. Das war bei keiner anderen Seele passiert, die ich bisher in mich gelassen hatte. Außer bei Smith.
    Mir wurde fast schwarz vor Augen. Ich grub die Fingernägel in die Armlehnen des Stuhles. Das mörderische Gefühl war fast nicht auszuhalten. Der arme Zak.
    »Warum fühle ich, was er fühlt, Charles?«
    Charles’ Stimme klang ruhig. »Weil Sie ihn im Leben gekannt haben.«
    Zak war verwirrt und wütend. Wahnsinnig wütend. Vielleicht konnte ich ihm schon gar nicht mehr helfen. Ich dachte an den Aggrot von Kemah und daran, wie er sich fluchend in einer schwarzen Wolke aufgelöst hatte. Nein. Das durfte Zak nicht passieren. Dafür musste ich sorgen.
    Paul kam mit der Gitarre herein. Als er sie mir in den Schoß legte, wich ein klein wenig von dem Zorn aus Zaks Seele.
    »Würden Sie bitte bleiben, Paul?«, sagte Charles. »Seelenflüsterin 102 ist gerade beim Seeleneinen und braucht vielleicht Unterstützung.«
    Paul nickte und stellte sich neben meinen Stuhl.
    Unsicher klimperte ich ein paar Akkorde. »Willst du spielen, Zak?«
    Wenn du meinst.
    Ich versuchte, mich zu entspannen und gab ihm die Kontrolle über meinen Körper. Erst einmal veränderte er die Lage der Gitarre. Sobald er anfing, über die Saiten zu streichen, fühlte seine Seele sich leichter an. Es funktionierte. Mir fiel ein ganzer Felsbrocken vom Herzen. Wenn es mir gelang, Zak komplett zu beruhigen, erinnerte er sich vielleicht daran, was passiert war, und wusste, warum er den Drang spürte, sich zu entschuldigen.
    Er ging von einfacheren Akkorden zu dem klassischen Stück über, das er mir zum Geburtstag vorgespielt hatte. Erstaunt sah ich zu, wie schnell und geschmeidig er meine Finger über die Saiten gleiten ließ. Bald war ich blind vor Tränen. Zaks Tränen.
    Ich habe dich geliebt, Babe, murmelte er.
    Die Melodie wurde drängender, leidenschaftlicher. Nun liefen mir seine Tränen in Strömen übers Gesicht.
    Mit aller Kraft hielt ich meine eigenen Gefühle im Zaum. Ich musste mich ganz auf meine Aufgabe konzentrieren.
    »Denk nach, Zak«, sagte ich. »Du warst auf der Party deines Freundes, und dann bist du zu meinem Haus gefahren. Du hast gesehen, wie Alden mich dort abgesetzt hat. Du wolltest reden. Erinnerst du dich?«
    Er lockerte den Griff um die Gitarre und spielte ein bisschen langsamer.
    »Es war kalt. Deshalb haben wir in deinem Delta geredet. Als du Alden gesehen hast, bist du ausgerastet und mit mir davongerast. Fast wären wir gegen das Brückengeländer geknallt. Weißt du noch?«
    Er hörte auf zu spielen. Die Stille im Raum war bedrückend und schien sich ewig hinzuziehen.
    Ja. Der Typ sagte mir, ich soll den Wagen nach rechts ziehen und nicht gegen das Geländer fahren. O Gott. Jetzt erinnere ich mich. Ich … Der Kerl hat mich gezwungen anzuhalten und dich aussteigen zu lassen.
    Ich sagte nichts, spürte aber, wie seine Seele plötzlich von Schuldgefühlen befallen wurde.
    Wenn die Stimme von diesem Typ nicht in meinem Kopf gewesen wäre, dann … Wirklich. Ich glaube … Ich habe dich fast umgebracht. Ohne ihn hättest du nämlich bei dem Crash zusammen mit mir im Auto gesessen. O Babe. Es tut mir so leid.
    »Schon gut, Zak. Ich wünschte, es wäre anders gekommen.« Ich sah die drei Seelenflüsterer an. »Ich wünschte, so vieles wäre anders gekommen.«
    Der Typ. War das der vom Friedhof? Ich muss mit ihm reden. Ich glaube, das ist es.
    »Er ist nicht hier, Zak.« Paul nahm mir die Gitarre ab.
    Gleichzeitig spürte ich, wie sich Verzweiflung in Zaks Seele breitmachte. Ich fühlte, wie er darum kämpfte, das Gute in sich festzuhalten und nicht in die Dunkelheit abzurutschen. Wie konnte ich ihm bloß helfen? Rose hätte es gewusst, verdammt noch mal. Was sollte ich jetzt tun? Diesmal versuchte ich nicht, die Tränen zurückzuhalten.
    Ich muss mit ihm reden, Lilian. Das ist es. Eindeutig. Ich bin ihm was schuldig.
    Weil Zak nun in mir war, hörten die anderen Seelenflüstererihn nicht mehr. »Du kannst im Moment nicht direkt mit Alden sprechen, Zak. Aber du könntest ihm helfen.« Ich spürte Hoffnung in Zak aufkeimen. Seine Seele fühlte sich nun viel leichter an und fast gar nicht mehr wie ein Aggrot. Mit viel Glück gelangen mir vielleicht zwei Dinge auf