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Seelenflüstern (German Edition)

Seelenflüstern (German Edition)

Titel: Seelenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Lindsey
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mir um das kleine Steingebäude herum. Das trockene Gras raschelte unter seinen Stiefeln.
    »Es ist ziemlich weit. Und Mom ist sicher hellauf begeistert, dass ich sie herbestellt habe. Auf der Heimfahrt hat sie nämlich jede Menge Zeit, mir endlose Vorträge darüber zu halten, was ich alles falsch mache.«
    »Vielleicht solltest du auf sie hören.« Alden bog hinter mir um die Ecke des Schuppens.
    »Vielleicht solltest du dich um deinen eigenen Kram kümmern.«
    »Ich muss mich aber um dich kümmern. Das ist mein Job, meine Aufgabe.«
    Ich fuhr herum und starrte ihn an. »Wenn das so ist, dann bist du gefeuert. Von dir kriege ich eine Gänsehaut.«
    »Das ist nicht meine Absicht.« Er wich ein paar Schritte zurück. »Für mich ist das auch alles neu. Bitte lass mich dir helfen, Rose.«
    »Ich heiße Lilian. Lilian. Nicht Rose. Also hör auf, mich so zu nennen.« Der Kerl ging mir auf die Nerven.
    »Tut mir leid. Das ist das erste Mal, dass du deinen Namen geändert hast. Daran muss ich mich erst gewöhnen … Lilian.«
    Ich setzte mich auf den Gehsteig vor der Baracke. Von hier aus konnte ich Zak sehen und der Friedhofseingang war so nahe, dass ich hinrennen konnte, falls Geisterboy auf seltsame Ideen kam. Kam er aber nicht. Er hockte sich mir gegenüber auf einen niedrigen Grabstein und blieb eine Ewigkeit lang still sitzen. Hin und wieder schloss er die Augen, als würde er lauschen oder meditieren.
    Ich sah auf die Uhr. »Wenn du glaubst, du könntest mich auf die Art überzeugen, dass du kein Irrer bist – keine Chance.«
    »Okay. Dann versuchen wir’s mal mit den Tatsachen: Du bist eine Seelenflüsterin, ich bin dein Wächter. Seelenflüsterer und Wächter arbeiten immer paarweise zusammen.«
    »Ah ja.« Ich lehnte mich an die Wand des Schuppens.
    »Wir arbeiten für den RF, den Rat der Fürsprecher. Das ist die Organisation, die sich um die Interessen der Toten kümmert. Als Seelenflüsterin ist es dein Job, gestrandeten Seelen dabei zu helfen, die Probleme zu lösen, die sie an die Erde binden. Manchmal ist das ganz einfach. Du teilst deinen Körper mit ihnen …«
    Ich sprang auf. »Vergiss es. Meinen Körper teile ich mit niemandem!«
    »Bitte, hör mir zu. Ich bin noch nicht fertig. Oft schütten die Gestrandeten dir einfach nur ihr Herz aus, dann verschwinden sie. Aber es gibt auch Seelen, die nicht nur wegen größeren oder kleineren Problemen hier festsitzen, sondern ernsthaft Schaden genommen haben. Diese Gestrandeten nennen wir Aggrots. Sie sind oft ziemlich aggressiv und versuchen, deinen Körper zu übernehmen. Wenn sie das schaffen, vertreiben sie deine Seele und können in deinem Körper noch einmal leben. Vielleicht hast du schon von Dämonenaustreibungen gehört, von Untoten, die Häuser verwüsten, oder von ähnlichen übernatürlichen Geschichten. Dahinter stecken fast immer die Aggrots. Und deshalb gibt es mich. Solange du deinen Körper mit einer anderen Seele teilst, schütze ich dich vor den üblen Aggrots. Ich sorge dafür, dass dir nichts passiert.«
    Das dachte er sich doch alles bloß aus! Entweder hatte ich es mit der fantasievollsten Anmache aller Zeiten zu tun,oder dieser Alden brauchte dringend psychologische Hilfe. »Ich teile also meinen Körper mit einer anderen Seele?«
    »Ja.«
    »Jetzt hör mir mal zu: Meinen Körper teile ich mit keinem.« Ich ging zum Eingangstor, schob Dads Gitarre durch das Gitter und wollte hinüberklettern. Doch bevor ich das Bein über das Tor schwingen konnte, packte Alden mich am Fußgelenk.
    »Was soll das? Lass mich los!«, schrie ich.
    »Wo willst du hin?« Er umklammerte meinen Knöchel.
    Panik ließ meine Stimme zittern. »Ich warte draußen auf meine Mutter. Sie ist sicher gleich da. Lass mich los.«
    »Das tue ich, sobald du deinen Kopf einschaltest. Ein Mädchen wie du übersteht in diesem Viertel keine fünfzehn Minuten. Bleib hier drin, bis deine Mutter kommt.«
    »Nimm die Finger weg. Du machst mir Angst.«
    »Gut«, sagte er. »Das zeigt mir, dass du zumindest nicht völlig den Verstand verloren hast.« Er packte mich an der Taille, hob mich mühelos von dem schmiedeeisernen Tor und ließ mich zu Boden sinken. Vorsichtshalber blieb ich gleich dort sitzen. Dann konnte er wenigstens nicht noch einmal an mir herumzerren.
    »Hör zu, Rose. Das ist kein Spiel. Nicht ich bin gefährlich für dich. Du bist auf einem Friedhof in einer ziemlich üblen Gegend und das auch noch mit einem Kerl, der so zugedröhnt ist, dass er fast ohnmächtig

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