Seelenflüstern (German Edition)
Seelenflüsterin weit und breit. Besser als alle anderen. Es gab kaum einen Aggrot, dem du nicht helfen konntest.«
»Und das heißt was?«
»Himmel und Hölle gibt es tatsächlich, Lilian. Solange eine Seele noch auf der Erde ist, kann sie erlöst werden. Hoffnung gibt es bis zur letzten Sekunde.«
Mein Magen zog sich zusammen, bis ich das Gefühl hatte, er würde in einen Abfluss gesogen. »Sag jetzt bloß nicht, ich sei die Chef-Seelenretterin gewesen. Das ist mir ein paar Nummern zu groß.«
Alden nahm meine Hand und versetzte mich damit sofort wieder in den rätselhaften Beruhigungsmodus. »Das vielleicht nicht. Aber du warst unschlagbar, wenn es darum ging, den Seelen den Weg in die richtige Richtung zu weisen. Du warst sagenhaft.«
Ich zog die Hand weg. Sagenhaft. Das war ich anscheinend früher mal gewesen. Und jetzt war ich nur noch … witzig.
»Zeig es mir. Zeig mir, wie ich war.«
Er stand auf und sah mich an. »Zu Befehl, meine Meisterin und Seelenflüsterin, deren Stimmungen ich mich stets unterwerfe. Der willenlose Diener ist dir zu Diensten.« Lachend machte er eine tiefe Verbeugung.
»Hey, fürs Witzereißen bin ich zuständig. Also lass das. Wie kriegen wir die Sache so schmerzlos wie möglich über die Bühne? Lachen finde ich prima. Schmerzen nicht.«
»Beides kann gut sein«, sagte er. »Du musst aufstehen und die Arme um mich legen.«
»Das denkst du dir doch aus.«
Er lächelte. »Vielleicht. Aber Körperkontakt hilft wirklich. Okay. Halte mich einfach nur an den Händen.«
Vielleicht würde es dieses Mal nicht so schlimm werden, weil ich schon wusste, was auf mich zukam. Ich legte meine zitternden Hände in seine. Er drückte meine Finger und schickte damit Wärmewellen durch meine Arme.
»Bleib locker. Du wirst dich dran gewöhnen.«
Ich schloss die Augen. »Bringen wir’s hinter uns.«
Alden drückte meine Hände an seine Brust, und ich spürte seinen Herzschlag.
Mach schon. Tu es, bevor ich zu viel Angst kriege.
»Raus«, flüsterte er.
Die Augen ließ ich geschlossen, weil ich immer noch viel zu viel Angst hatte. Aber diesmal schrie ich nicht, als seine Seele wie kochendes Wasser in mich hineinfloss. Nur einen Kiekslaut konnte ich nicht ganz unterdrücken.
Nach wenigen Sekunden tat es schon nicht mehr weh. Aldens Herz schlug noch immer unter meinen Handflächen. Was war passiert? Warum funktionierte es nicht? Vorsichtig öffnete ich die Lider einen Spaltbreit und sah in seine leeren, glasigen Silberaugen.
»Alden?«
Ja, hier.
Ich zuckte zusammen. Seine Stimme war in meinem Kopf.
Alles klar?
»Ehm. Ja. Es ist bloß seltsam. So als würde ich mit deiner Stimme denken.« Unter meinen Händen spürte ich das pulsierende Leben in seiner Brust. Ich ließ die Arme sinken, wich ein paar Schritte zurück und zeigte auf seinen Körper. »Wenn du nicht da drin bist, Alden, bist du dann tot?«
Nein. Das Nervensystem funktioniert noch. Alles läuft ganz normal weiter. Nur ein großes Stück Seele fehlt.
»Ein Stück?«
Ja. Ich habe meine Seele geteilt. Etwas davon ist noch in mir und dichtet meinen Körper ab. Wächter sind verschlossene Gefäße. Solange ein Teil ihrer Seele in der Hülle bleibt, können andere Geister sie nicht besetzen. Im Gegensatz zu den Hüllen von Seelenflüsterern können die der Wächter nur eine Seele aufnehmen.
Es machte mich immer noch ziemlich nervös, wenn er auf diese Weise mit mir redete oder kommunizierte oder wie immer wir es nennen wollten. »Klingt reichlich verwirrend.«
Bald wird dir alles klar werden.
»Und du stehst jetzt einfach nur so rum?«
Das ist nur möglich, wenn mein Körper an einem sicheren Ort ist. Wenn ich weiß, dass ich eine Weile weg sein werde, bin ich immer besonders vorsichtig. Normalerweise verlasse ich meine Hülle nur im Sitzen oder Liegen, damit sie nicht umgestoßen und beschädigt werden kann. Aber wir bleiben ja in der Nähe. Deshalb ist es okay.
Ich setzte mich und starrte die fast leere Hülle an, die vor mir stand und Alden hieß. Selbst wenn er so leblos war, war er absolut heiß.
Danke.
»Ganz große Klasse. Du kannst hören, was ich denke.«
Nein. Ich spüre nur, wie deine Seele sich deinen Gefühlen öffnet.
»Nicht frech werden, Diener. Sonst fliegst du aus meinem Palast.«
Zu Befehl, Meisterin.
Ich lachte. »Okay. Was ist das für ein Gefühl für dich? Teilen wir uns tatsächlich meinen Körper?«
Nach dem Schmerz beim Eindringen spüre ich körperlich nichts mehr. Und weil meine Seele
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