Seelenflüstern (German Edition)

coole Songs auf dem iPod aus, stellte die Sitzlehne zurück und schloss die Augen.
    Kurz nachdem wir die Vororte von Houston erreicht hatten, bekam Alden einen Anruf aus dem Krankenhaus, in dem seine Mutter arbeitete. Er sollte seine Schwester vom Vorschulkindergarten abholen. Die Erzieherin wollte möglichst sofort mit jemandem aus der Familie über Charlotte sprechen, Elizabeths eingebildete Freundin.
    Wir fuhren direkt zu der piekfeinen Vorschule und wurden in einen strahlend weißen Raum neben dem Eingang gebeten. Gerahmte, von Kindern gemalte Bilder schmückten die Wände. Alden trommelte mit den Fingern auf den Glastisch, während wir auf die Erzieherin wartzten.
    »Mir ist bei dieser Charlotte-Geschichte nicht wohl«, sagte er.
    Miss Mason kam herein. Ich hatte sie schon einmal gesehen, als sie Izzy zum Auto gebracht hatte. Beim Hinsetzen spielte sie am obersten Knopf ihrer Bluse. Ihr Haar hatte sie im Nacken zu einem Knoten hochgesteckt. Diese Frisur machte sie älter, als sie es vermutlich war.
    »Danke, dass Sie so kurzfristig Zeit hatten, Mr. Thomas«, sagte sie. »Ich habe versucht, Ihre Eltern zu erreichen, aber anscheinend operieren heute beide. Sie ließen mir ausrichten, dass Sie mit mir sprechen würden.« Wieder drehte sie an ihrem Knopf. »Es tut mir wirklich schrecklich leid, aber Sie müssen Ihren Eltern sagen, dass wir Elizabeth einem Psychologen vorstellen, wenn es so weitergeht. Ihre eingebildete Freundin ist inzwischen zu einer fixen Idee geworden, in die sie sich immer mehr verrennt.«
    »Ich bitte Sie. So schlimm wird es schon nicht sein«, antwortete Alden. »Sicher ist das bloß eine Phase. Viele kleine Mädchen haben eingebildete Freunde.«
    »Nein, Mr. Thomas, das ist keine Phase.« Die Frau verschlang die Hände ineinander. »Das ist nicht mehr normal. Sie hält regelrecht Vorträge über die Gleichberechtigung von Mann und Frau und über den Kampf um die Einführung des Frauenwahlrechts. Kleine Mädchen haben eingebildete Prinzessinnen, Ponys, Häschen und Einhörner zu Freunden – keine Frauenrechtlerinnen. Elizabeth sagt, Charlotte sei sehr alt. Auch das ist für eine eingebildete Freundin eher ungewöhnlich. Ich habe einen Abschluss in Kinderpsychologie, Mr. Thomas, und ich mache mir ernsthafte Sorgen um Ihre Schwester.«
    »Das kann doch alles nicht wahr sein.«
    »Augenblick mal«, unterbrach ich. »Vielleicht sollte ich mal mit ihr reden. Wenn sie verspricht, in der Vorschule nicht mehr von Charlotte zu erzählen – kann sie dann bleiben, ohne zum Psychologen zu müssen?«
    »Na ja, einen Versuch wäre es wert. Aber sie müsste schon komplett damit aufhören. Wenn es um Charlotte geht, wird sie so aufgeregt und fanatisch, dass sie die anderen Kinder ganz durcheinanderbringt.«
    Ich stand auf. »Abgemacht. Ab morgen ist sie charlottefrei.«
    Miss Mason sah mich zweifelnd an, konnte aber schlecht verhindern, dass ich mein Glück versuchte. Dann ging sie los, um Elizabeth zu holen.
    »Wie willst du Izzy denn helfen?«
    Es war ein gutes Gefühl, endlich mal mehr zu wissen als Alden. »Ich glaube, helfen werde ich vor allem Charlotte .«
    Alden warf mir einen Blick zu, als würde ich in Rätseln sprechen.
    »Überleg doch mal, Alden. Charlotte ist eine alte Frau und wohnt im Zimmer deiner kleinen Schwester. Als ich zum ersten Mal bei dir war, saß Spook vor Izzys Tür und hat geknurrt. Izzy behauptet, Charlotte gäbe es wirklich, und sie weiß Dinge von früher, die kleine Mädchen in ihrem Alter normalerweise nicht wissen. Du hast gesagt, Kinder reagieren auf übersinnliche Erscheinungen sensibler als Erwachsene. Hört sich das nicht an, als könnte es ein Job für mich sein?«
    »Meinst du wirklich? Du glaubst, Charlotte ist eine gestrandete Seele?«
    »Hm-hm. Ich bin mir fast sicher.«
    »Auf den Gedanken bin ich noch gar nicht gekommen. Izzy hatte schon immer eine lebhafte Fantasie. Aber dass so etwas dahinterstecken könnte …« Alden grinste. »Das ist genial! Hoffentlich hast du recht. Eine gestrandete Seele loszuwerden ist um einiges leichter, als einem kleinen Mädchen eine fixe Idee auszureden.«

F  Ü N F U N D Z W A N Z I G

    E lizabeth belud das Tablett, das sie mit in ihr Zimmer nehmen wollte, mit Keksen. Nebenbei stopfte sie sich schon den einen oder anderen in den Mund. Sie sagte, sie müsste die zerbrochenen aufessen; Charlotte sollte nur die schönen kriegen.
    »Darf ich ihr auch Saft bringen?« Izzy stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser auf