Seelengesaenge
Sie bitte das Sens-O-Vis studieren würden, das soeben von Atlantis eingetroffen ist …« Er befahl dem Hauptprozessor per Datavis, die Aufzeichnung abzuspielen.
Sie mochten vielleicht Diplomaten sein, doch selbst ihre Ausbildung half ihnen nicht dabei, ihre nichtssagenden Pokergesichter aufrecht zu erhalten, als sich in ihren Köpfen die Ereignisse von Pernik Island entwirrten. Der Leitende Admiral wartete ungerührt, während simultanes Ächzen und zu Tode erschrockene Grimassen den großen Saal erfüllten. Das Sens-O-Vis dauerte eine Viertelstunde, und viele der Anwesenden unterbrachen die Aufzeichnung, um die Reaktionen ihrer Kollegen zu sehen oder vielleicht sogar sicherzustellen, daß sie die richtige Aufzeichnung empfingen und nicht irgendein phantastisch gut gemachtes Horror-Sens-O-Vis.
Olton Haaker sprang von seinem Sitz auf, als die Aufzeichnung geendet hatte, und starrte Admiral Samuel Aleksandrovich lange Zeit eingehend an, bevor er schließlich sprach. Der Leitende Admiral fragte sich, wie der Präsident die Geschichte auffassen würde; er wußte, daß Haaker ein strenggläubiger Muslim war. Was hält er von Dschinns aus dem Jenseits?
»Sind Sie sicher, daß diese Informationen echt sind?« erkundigte sich der Präsident.
Samuel Aleksandrovich gab Admiralin Lalwani einen Wink. Die Leiterin des KNIS saß auf einem der Stühle hinter ihm. Sie erhob sich. »Wir verbürgen uns für seine Authentizität«, sagte sie und setzte sich wieder.
Eine Reihe von Ratsmitgliedern starrte Cayeux an, den Botschafter Edens, der sie mit stoischer Ruhe ertrug.
Wie typisch, dem Boten die Schuld zu geben! dachte der Leitende Admiral.
»Also schön«, sagte der Präsident. »Und was genau schlagen Sie vor?«
»Erstens wird die Verkündung des Ausnahmezustands eine beträchtliche Reserve von Schiffen für die Konföderierte Navy frei machen«, begann der Leitende Admiral. »Wir werden sämtliche nationalen Geschwader, die uns verpflichtet sind, unverzüglich ihren konföderierten Flotten überstellen. Vorzugsweise innerhalb einer Woche.« Das war nur schwer zu verdauen, doch er war auf Widerstand vorbereitet. »Der Kampf gegen die Gefahr, der wir heute gegenüberstehen, kann nicht dadurch gewonnen werden, daß wir uns auf friedvolle Weise annähern. Unsere Reaktion muß rasch und überwältigend erfolgen, und das geht nur, wenn die Navy in der vollen Stärke einsatzbereit ist.«
»Aber wozu?« fragte der Botschafter von GovCentral. »Welche mögliche Lösung gibt es, wenn die Toten zurückkehren? Sie werden doch nicht im Ernst vorhaben, diejenigen zu töten, die besessen sind?«
»Nein, das können wir letzten Endes nicht, in der Tat«, gestand der Admiral ein. »Unglücklicherweise wissen die Possessoren das, was ihnen einen gewaltigen Vorteil verschafft. Prinzipiell stehen wir der größten Geiselnahme in der Geschichte der Menschheit gegenüber. Deswegen schlage ich vor, daß wir genau das tun, was wir in derartigen Situationen immer getan haben. Wir spielen auf Zeitgewinn, bis wir eine Lösung gefunden haben. Ich habe noch nicht die geringste Idee, wie diese Lösung aussehen wird, doch unsere Politik muß unter allen Umständen klar und eindeutig sein. Wir müssen verhindern, daß sich das Problem über die Sonnensysteme hinaus ausbreitet, in denen es bereits Fuß gefaßt hat. Zu diesem Zweck bitte ich um eine Resolution mit dem Inhalt, jeglichen kommerziellen und zivilen Schiffsverkehr einzustellen, und zwar von diesem Augenblick an. Die Anzahl der Flüge ist aufgrund der Laton-Krise bereits stark rückläufig, und sie auf null zu reduzieren, sollte sich nicht als schwer herausstellen. Sobald eine konföderationsweite Quarantäne in Kraft ist, haben wir weniger Probleme, unsere Kräfte dort zu konzentrieren, wo sie am wirkungsvollsten sind.«
»Und was bedeutet Ihrer Ansicht nach ›wirkungsvoll‹?« verlangte der Präsident zu wissen. »Sie haben selbst gerade festgestellt, daß eine bewaffnete Reaktion für uns nicht in Frage kommt.«
»Nein, Sir, ich habe gesagt, wir dürfen sie nicht als ultimative Lösung betrachten. Was wir jedoch tun können – und müssen –, das ist die Besessenen daran zu hindern, sich von infiltrierten Systemen aus weiter auszubreiten. Falls es ihnen jemals gelingt, ein vollständig industrialisiertes System zu erobern, dann werden sie ohne jeden Zweifel sämtliche Ressourcen gegen uns einsetzen, um ihr Ziel zu verwirklichen, welches, wie wir dank Laton wissen, die
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