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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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gleichgültigen Lebenden, versprachen ihnen Erlösung und Heil, wenn sie nur halfen.
    Vielleicht halfen die Versprechungen tatsächlich. Mehr und mehr Risse taten sich auf, und bald waren es so viele, daß eine ganz neue Qual daraus entstand: Zu wissen, daß es einen Weg nach draußen gab, und trotzdem immer wieder zurückgewiesen zu werden.
    Bis auf dieses Mal.
    Dieses Mal … diesmal erhob sich die Herrlichkeit so hoch rings um Rocio, so laut und hell, daß sie ihn zu überwältigen drohte. Und mitten in dem reißenden Strom schrie jemand um Hilfe, flehte, daß die Todesqualen endlich aufhörten.
    »Ich helfe dir!« log Rocio trügerisch. »Ich sorge dafür, daß es aufhört.«
    Schmerz durchflutete ihn, als die panischen Gedanken sich an seine Worte klammerten. Es war weit, weit mehr als das übliche Ineinandergreifen von Seelen auf der Suche nach bitterem Beistand. Rocio spürte, wie er Gewicht und Substanz gewann, als sich ihre Gedanken umeinander schlangen. Und der Schmerz wallte auf zur Ekstase. Rocio spürte Arme und Beine, die qualvoll zuckten, als Hitze über ihre Haut strich, eine Kehle, die rauh und heiser war vom Schreien. Es war wunderbar, köstlich, die Art von Hochgefühl, in der ein Masochist Erfüllung fand.
    Die Gedanken des Mannes wurden schwächer und schwächer, während Rocio sich tiefer und tiefer in die neuralen Bahnen des Gehirns vorarbeitete. Mehr und mehr der alten menschlichen Empfindungen kehrten zurück und wurden willkommen geheißen, Luft, die in seine Lungen strömte, das Schlagen eines Herzens. Die ganze Zeit über wurde sein neuer Wirt schwächer und schwächer, und Rocio hatte weniger und weniger Mühe, ihn zu unterdrücken und seine Seele einzusperren. Er hörte die anderen Verlorenen Seelen im Jenseits ihre Wut darüber hinausschreien, daß er es war, der die Erlösung gefunden hatte. Die bitteren Drohungen, die Vorwürfe der Unwürdigkeit.
    Dann waren da nur noch die schwachen Proteste seines Wirts – und eine zweite, merkwürdig ferne Stimme, die flehend wissen wollte, was mit dem geliebten Wesen geschah. Rocio drückte die Seele des Wirts aus dem Weg und breitete sein Bewußtsein über das ganze Gehirn hinweg aus.
    »Das reicht jetzt«, sagte eine Frauenstimme. »Wir brauchen dich noch für etwas Wichtigeres.«
    »Laß mich!« hustete er. »Ich bin fast drin, fast …« Seine Kraft wuchs, und der gefangene Körper fing an zu reagieren. Tränenerstickte Augen enthüllten die verschwommenen Umrisse von drei Gestalten, die sich über ihn beugten. Gestalten, die ohne jede Frage Engel waren. Eine wunderschöne Frau mit nichts am Leib außer einer strahlend weißen Korona.
    »Nein«, sagte die Frau. »Du gehst in den Blackhawk. Sofort!«
    Es konnte nur ein schreckliches Mißverständnis sein. Verstanden sie denn nicht? Dies war das Wunder. Die Erlösung. »Ich bin drin«, sagte Rocio. »Seht nur! Ich bin drin! Ich habe es getan!« Er hob eine seiner neuen Hände und sah Blasen wie große durchscheinende Pilze an jedem Finger hängen.
    »Dann geh wieder raus!«
    Die Hand löste sich auf. Blut spritzte über sein Gesicht und löschte seine Sicht aus. Er wollte schreien, doch seine Stimmbänder waren zu rauh, um zu gehorchen.
    »Mach, daß du in den Blackhawk kommst, du kleiner Schwachkopf, oder wir schicken dich auf dem kürzesten Weg wieder in das Jenseits. Und diesmal werden wir dich nicht mehr zurückholen.«
    Ein weiteres Auflodern von ganz und gar unglaublichem Schmerz, gefolgt von gleichermaßen furchteinflößender Taubheit, verrieten ihm, daß sein rechter Fuß zerfetzt worden war. Sie rissen ihm sein neues, wundervolles Fleisch weg, ließen ihm nichts mehr übrig.
    Er tobte vor Wut, weil alles so unfair schien. Und dann tauchten in seinen Gedanken merkwürdig hallende Empfindungen auf.
    – Siehst du? fragte Dariat. – Es ist ganz einfach. Versuch deine Gedanken so zu konzentrieren.
    Er tat wie ihm geheißen, und die Affinität öffnete sich und verband ihn mit dem Blackhawk Mindori.
    – Was geschieht da? wollte der ängstliche Blackhawk wissen.
    Rocios gesamtes linkes Bein existierte nicht mehr. Weißes Feuer hüllte seinen Unterleib und den verbliebenen Stumpf seines rechten Beins ein.
    – Peran! rief der Blackhawk voller Angst.
    Rocio verdeckte den Klang seiner eigenen Gedanken mit dem Tonfall des Kommandanten. – Hilf mir, Mindori!
    – Aber wie? Was geschieht nur? Ich konnte dich nicht mehr fühlen! Du hast dich vor mir verschlossen! Warum? Das hast du noch niemals

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