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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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die beiden Raketenmotoren im Heck bis in den roten Bereich belasten, die Energieversorgung umleiten und die Plasmatemperaturen auf gefährliche Höhen steigern. Kühlkreisläufe stießen warnende Signale aus, und er jonglierte mit der Antriebsleistung des Fliegers, indem er auf die einen reagierte und den Rest ignorierte. Das war sein Job, und er beherrschte ihn wie kaum ein zweiter: das Steuern von Raumflugzeugen. Ashly wußte ganz genau, wie weit er die Systeme belasten durfte, wann er ein kalkuliertes Risiko eingehen konnte.
    Energiereserven, Treibstoffstände und Sicherheitsspannen bildeten phantastisch bunte, komplexe Diagramme vor Ashlys geistigem Auge, während er seinen magischen Balanceakt fortsetzte. Langsam näherten sich die Faktoren einander an und eröffneten einen möglichen Lösungsweg: Fluchtgeschwindigkeit in einhundertzwanzig Kilometern Höhe. Rein theoretisch verblieben damit sieben Kilogramm Reaktionsmasse in den Tanks. »Verdammt, ist das niedrig«, murmelte er vor sich hin. Nichtsdestotrotz, es versetzte sie in die Lage, die Lady Macbeth zu erreichen und anzudocken.
    Die Gründe für die Überlastung des Raumflugzeugs, alle neunundzwanzig, saßen wild schnatternd und glücklich jubelnd in der Kabine hinter ihm, unbeeindruckt von den Bemühungen Vater Elwes’ und Kelly Tirrels, sie zu beruhigen. Das hält nicht an, dachte Ashly mit einem Gefühl von unausweichlichem Mißmut. Kinder erbrechen immer, wenn sie in die Schwerelosigkeit kommen. Ganz besonders, wenn sie noch so jung sind wie diese dort.
    Er befahl dem Bordrechner per Datavis, einen Kanal zur Lady Macbeth zu öffnen. Es dauerte eine Weile, bis sich der Kommunikationsprozessor auf den Satelliten von Lalonde aufgeschaltet hatte, und selbst dann war die Bandbreite noch stark reduziert: ein unübersehbarer Beweis für die Kräfte des Bösen, die den zum Untergang verurteilten Planeten in ihrem Griff hatten.
    »Joshua?«
    »Ich hab’ deine Position, Ashly.«
    »Du mußt ein wenig manövrieren, um mich aufzunehmen. Ich mußte die Reaktionsmasse für die Triebwerke überhitzen, um überhaupt in den Orbit zu gelangen. Hier ist mein Vektor.« Er übertrug die Daten aus dem Bordrechner des kleinen Raumflugzeugs.
    »Meine Güte, das wird ziemlich knapp!«
    »Ich weiß. Tut mir leid, Joshua, aber die Kids sind zu schwer. Und du wirst die Reaktionsantriebe völlig erneuern müssen, wenn wir erst wieder in einem Raumhafen andocken. Ich mußte sämtliche Sicherheitstoleranzen überschreiten. Eine Überprüfung der strukturellen Integrität könnte wahrscheinlich auch nicht schaden.«
    »Na ja, unsere uneingeschränkte Raumtüchtigkeit ist während der Schlacht eh auf der Strecke geblieben. Halt dich bereit für das Rendezvous in zwölf Minuten.«
    »Danke, Joshua.«
    Das glückliche Geplapper der Kleinen in der Kabine war merklich leiser geworden. Die Beschleunigung war inzwischen auf ein Zwanzigstel g zurückgegangen, nachdem der Eintritt in den Orbit vollzogen war. Beide Raketenmotoren waren deaktiviert. Der Bordrechner meldete, daß gerade noch vier Kilo Reaktionsmasse in den Tanks übrig waren.
    Und dann drang aus dem hinteren Teil der Kabine das erste feuchte Würgen. Ashly machte sich innerlich auf das Kommende gefaßt.
     
    Eine Reihe sukzessiver Beschleunigungsalarme schrillte durch die Lebenserhaltungsmodule der Lady Macbeth. Die Edeniten, die unter der Anleitung von Sarha Mitcham und Dahybi Yadev Vorbereitungen für die Ankunft von etwa dreißig Kindern trafen, eilten auf die Liegen und provisorischen Matratzenlager. Sie alle trugen den gleichen gehetzten, müden Ausdruck im Gesicht. Wenn man bedachte, was sie im Verlauf der letzten dreißig Stunden durchgemacht hatten, war das nur allzu verständlich. Und das Schrillen des Alarms weckte die kaum verdrängten Erinnerungen.
    »Keine Sorge«, verkündete Joshua. »Diesmal wird es keine mörderischen Manöver geben. Wir manövrieren ein wenig, das ist alles.«
    Er befand sich allein auf der Brücke. Die Beleuchtung war bis auf ein schwaches Rotlicht abgeschaltet, und die Hologramme und Projektionen der AV-Säulen stachen scharf aus der Dunkelheit hervor. Merkwürdig genug, daß Joshua die Einsamkeit genoß. Er war jetzt genau das, was er immer hatte sein wollen – oder zumindest geglaubt hatte –: ein Raumschiffskommandant, verantwortlich für nicht mehr und nicht weniger als sein Schiff und die Menschen an Bord. Und die Überwachung des Bordrechners, während er das mächtige Schiff

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