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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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er die alte Routine völlig löschte und sie durch eine neu initialisierte ersetzte. Das Appartement, das er nun erblickte, war ein einziges Chaos. Die Möbel waren umgestürzt und übersät von männlichen und weiblichen Kleidern, überall standen halb leergegessene Teller herum, auf dem Boden lagen leere Flaschen. Prozessorblocks aus Kulu-Fabrikation stapelten sich zusammen mit Dutzenden von enzyklopädischen Fleks auf den Tischen – nicht ganz das, was ein Typ wie Bospoort normalerweise als Bettlektüre benutzte.
    Mit der Wiederherstellung von Echtzeitbild und -ton kam auch der Geruchssinn; ein hoher Preis, den Rubra da zahlen mußte. Der Gestank war unbeschreiblich, und der Grund einfach: Dariats fetter Leichnam lag im großen Schlafzimmer zusammengesunken am Fuß des Betts. Es gab keinerlei Anzeichen eines gewaltsamen Todes, keine Blessuren, keine Stichwunden, keine Brandflecken von Energiewaffen. Was auch immer die Ursache gewesen war, sie hatte auf dem fetten Gesicht des Toten ein widerlich verzerrtes Grinsen hinterlassen. Rubra beschlich unwillkürlich der Gedanke, daß Dariat seinen Tod genossen hatte.
     
    Dariat war über die Maßen glücklich mit seinem neuen, gefangenen Körper. Er hatte ganz vergessen, wie es sich anfühlte, schlank zu sein; sich schnell zu bewegen, zwischen den Türen eines sich schließenden Aufzugs hindurchzuschlüpfen, engsitzende Kleidung anstatt einer weiten, schlotternden Toga zu tragen. Und selbstverständlich war die Jugend ein weiterer Vorteil. Eine vitalere Physis, ein geschmeidiger, starker Leib. Daß Horgan erst fünfzehn Jahre alt gewesen war, hatte keinerlei Konsequenzen; die energistischen Fähigkeiten Dariats machten alles mehr als wett. Er wählte das Aussehen eines Zwanzigjährigen, ein Mann in der Blüte seiner Kraft, mit dunkler, glatter, glänzender Haut und dichtem, langem, pechschwarzem Haar. Seine Kleidung war einfach: schlichte Baumwollhosen und ein Hemd, das dünn genug war, um seine geschmeidigen Muskeln durchschimmern zu lassen. Nichts Übertriebenes, wie bei Bospoorts lächerlichem Macho-Körper, in dem jetzt Ross Nash wohnte, doch er würde sicherlich die Blicke nicht weniger junger Frauen auf sich ziehen.
    Tatsächlich reichte die Possession mit all ihren Segnungen fast aus, ihn sein gegebenes Versprechen brechen zu lassen. Fast, jedoch nicht ganz. Seine eigenen Ziele waren immer noch nicht die der anderen, denn im Gegensatz zu ihnen hatte er keine Angst vor dem Tod, vor der Rückkehr in das Jenseits. Er glaubte an die Spiritualität, von der Anastasia ihm erzählt hatte, jetzt mehr als jemals zuvor. Das Jenseits, aus dem die Besessenen kamen, war nur ein Teil des Mysteriums, das den Tod umgab; Gottes Schöpfung war unermeßlich, und selbstverständlich existierten noch weitere Kontinuen, ein Leben nach dem Leben im Jenseits.
    Genau über diese Kontinuen dachte er nach, während er mit den anderen Possessoren in Richtung der Tacoul-Taverne schlenderte. Die anderen waren ganz versessen auf die Erfüllung ihrer Mission, und sie besaßen nicht die geringste Spur von Humor.
    Die Tacoul-Taverne war ein perfekter Mikrokosmos des Lebens in Valisk. Das einst schicke schwarz- und chromglänzende Interieur war inzwischen selbst bei den Designern von Retro-Chic aus der Mode, das Essen, einst von Fünf-Sterne-Köchen zubereitet, kam aus Fertigpackungen, die Kellnerinnen waren längst zu alt für die kurzen Röcke, und die Kundschaft stellte den unausweichlichen Niedergang weder in Frage noch scherte sie sich darum. Wie die meisten Lokale zog auch die Tacoul-Taverne eine ganz bestimmte Sorte von Gästen an, und das waren im Fall des Tacoul die Raumschiffsbesatzungen.
    Ein paar Dutzend Gäste saßen an den verschiedenen Tischen aus grob behauenem Stein, als Dariat hinter Kiera Salter das Lokal betrat. Sie schlenderte zur Theke und bestellte sich etwas zu trinken. Zwei Männer wollten sie einladen. Während sie zum Schein darauf einging, suchte sich Dariat einen Tisch in der Nähe der Tür und blickte sich in dem großen Raum um. Sie hatten eine gute Wahl getroffen; fünf der Gäste besaßen die verräterischen indigofarbenen Augen, die sie als Nachkommen Rubras kennzeichneten, und alle trugen sie Bordanzüge mit einem silbernen Stern auf dem Schulterstück: Blackhawk-Kommandanten.
    Dariat konzentrierte sich auf die Beobachtungsroutinen, die mit dem neuralen Stratum hinter den Wänden, der Decke und dem Boden der Taverne verbunden waren. Abraham, Matkin und Graci, die

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