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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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Augenblick Angst haben, aber das ist nur natürlich, oder? Auch wir haben Angst. Niemand kann von uns erwarten, daß wir freiwillig in das Jenseits zurückkehren. Also müssen wir uns gemeinsam etwas einfallen lassen. Ich persönlich reiche dem Präsidenten der Konföderationsversammlung meine Hand und biete ihm Freundschaft. Das ist ein Angebot, das er unmöglich ablehnen kann.«
     
    Die leuchtenden roten Wolken dehnten sich aus, kleine rubinrote Flecken, die ganz Norfolk überzogen wie Masern. Louise, Fletcher und Genevieve verbrachten den ersten Tag an Bord damit, die Bilder zu betrachten, die von den externen Sensoren der Far Realm auf die Holoschirme übertragen wurden. Auf Kesteveen war es bei weitem am schlimmsten. Eine massive purpurne Aureole hatte die gesamte Insel überzogen, und ihre Umrisse reichten bis weit über die natürliche Küstenlinie hinaus. Rings um die scharf definierten Ränder waren Streifen von normalen weißen Wolkenbändern zu sehen, die von unsichtbaren Winden zurückgetrieben wurden, wenn sie sich zu weit näherten.
    Fletcher versicherte den beiden jungen Frauen, daß die rote Wolke für sich genommen unschädlich war. »Eine Manifestation von Willenskraft, das ist alles«, erklärte er ihnen.
    »Sie meinen, die Wolke ist ein Wunsch?« fragte Genevieve fasziniert. Sie war frisch und ausgeruht, und das emotionale Chaos war fast verschwunden. Nichts mehr erinnerte an den manischen Überschwang oder das gehetzte Schweigen des gestrigen Tages. Doch sie war ruhiger als gewöhnlich, was Louise recht gelegen kam. Ihr war ebenfalls nicht nach Reden zumute. Und weder sie noch Fletcher hatten bisher die Tantu erwähnt.
    »Genau das, kleine Lady.«
    »Aber warum wünschen sie sich diese Wolke?«
    »Um darunter Zuflucht zu suchen vor der Leere des Universums. Selbst die hellen kurzen Nächte dieses Planeten sind kein Anblick, den wir lange ertragen können.«
    Inzwischen zeigten mehr als dreißig Inseln Spuren von Rot in der Luft. Für Louise war es wie der Ausbruch einer furchtbaren Seuche, Krebsmetastasen, die am Fleisch ihrer Welt fraßen.
    Furay und Endron waren mehrere Male zu ihnen in die Lounge gekommen und hatten sie über die Aktionen der Navy und den Fortschritt der Armee unterrichtet, die beide nur geringe Erfolge erzielten. Die Armee war auf zwei Inseln gelandet, Shropshire und Lindsey, in der Hoffnung, die jeweiligen Hauptstädte zurückzugewinnen, doch die Berichte von den Fronten waren konfus.
    »Das gleiche Problem wie auf Kesteveen«, gestand Furay, als er ihnen das Essen brachte. »Wir können die Bodentruppen nicht unterstützen, weil wir keine zuverlässigen Zielinformationen besitzen. Und die roten Wolken bereiten der Admiralin ziemliche Sorgen. Der technische Stab hat keine Erklärung für das Phänomen.«
    Gegen Mitte des Nachmittags (Schiffszeit) hatten die Truppenkommandanten den Kontakt zur Hälfte ihrer Bataillone verloren. Die roten Wolken zeigten sich über achtundvierzig Inseln, und neun davon waren vollständig von ihnen bedeckt. Als der Duke-Tag über Ramsey Island endete, tauchten auch dort die ersten Wolken über zwei kleineren Städten auf. Hastig wurden Reservetruppen aus Norwich eingeflogen. In beiden Fällen ging der Kontakt zu den Soldaten innerhalb von fünfzehn Minuten nach dem Eindringen in die betroffenen Gebiete verloren.
    Louise beobachtete finster, wie sich die Wolke über den Städten verdichtete. »Ich hatte recht«, sagte sie elend. »Es gibt nichts, was wir tun könnten. Niemand kann etwas dagegen tun. Es ist nur noch ein Frage der Zeit.«
     
    Tolton stolperte durch den schmalen Wildbach nach oben, und Wasser spritzte über seine glitzernden roten Schuhe. Der Rand der steilen Böschung, eine sandige, grasbewachsene Klippe, war nur noch wenige Zentimeter über seinem Kopf. Er konnte nicht auf die Parklandschaft sehen, aber dafür war er ebenfalls nicht sichtbar – glücklicherweise. Weit über ihm strahlte die axiale Röhre von Valisk. Die Intensität des Lichts schmerzte in Toltons Augen; er war ein Nachtmensch, gewöhnt an die Bars, Clubs und Vestibüle der Sternenkratzer, wo er den Abgehalfterten, den Ausgebrannten, den Porn-O-Vis-Süchtigen, den abgetörnten Fixern und den Söldnern, die sich alle in den unteren Stockwerken der Sternenkratzer breitgemacht hatten, seine poetischen Predigten hielt. Sie tolerierten ihn, jene verlorenen Existenzen, lauschten seinen sorgsam gewählten Worten (oder lachten über sie) und fügten seinem Schatz an

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