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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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Erfahrungen ihre eigenen Geschichten hinzu. Er bewegte sich zwischen den Beschreibungen zerstörter Leben wie ein Landstreicher durch den Dreck einer dunklen Sackgasse, stets auf der Suche, stets in dem Bemühen zu verstehen, was sie sagten, und ihren verkümmerten Träumen mit seiner Poesie ein wenig Würde zu verleihen, ihnen zu erklären, wer und was sie waren.
    Eines Tages, pflegte er ihnen zu erzählen, eines Tages werde ich alles in einem MF-Album kompilieren. Die Galaxis wird von euch hören, von eurem Leid, und sie wird euch daraus befreien.
    Sie glaubten ihm nicht, natürlich nicht, doch sie akzeptierten ihn als einen der ihren. Es war ein Status, der ihm so manche Kneipenschlägerei erspart hatte. Doch jetzt, in der Stunde seiner größten Not, hatten sie ihn im Stich gelassen. Ganz gleich, wie schwer es ihm fiel zu verstehen – sie hatten verloren. Die härteste Bande von Bastarden in der gesamten Konföderation war in weniger als sechsunddreißig Stunden ausgelöscht worden.
    »Nehmen Sie an der nächsten Gabelung den Lauf nach links«, befahl der Prozessorblock, den er an seinen Gürtel geklipst hatte.
    »Ja«, murmelte Tolton gehorsam.
    Und das war die größte, schmerzvollste Demütigung von allen: daß er, der aufstrebende Poet der Anarchie, erbärmliche Dankbarkeit verspürte, weil Rubra, der Erzkapitalist und Diktator, ihm half.
    Zehn Meter weiter vereinigten sich zwei glucksende Bäche. Er wandte sich ohne Zögern nach links, und das schäumende Wasser spritzte ihm bis zu den Knien. Die Flucht aus dem Sternenkratzer war ihm vorgekommen wie eine wahnsinnige Montage aller Söldnergeschichten, die er jemals gehört hatte, eine Montage, die aus seinem Unterbewußtsein aufgestiegen war wie ein quälender Alptraum. Horror und Gelächter hatten ihn durch jeden der Korridore verfolgt, selbst durch die abgelegenen, vergessenen, von denen er geglaubt hatte, daß nur noch er allein sie benutzte. Allein Rubra, eine ruhige, gelassene Stimme, die ihm die Richtung wies, hatte ihm ein wenig Hoffnung verliehen.
    Das Wasser machte seine schwarze Hose schwer. Ihm war erbärmlich kalt, teils aus Angst, teils wegen eines starken Katers.
    Seit drei Stunden hatte es nun kein Anzeichen mehr von Verfolgern gegeben, obwohl Rubra sagte, daß sie ihm noch immer auf der Spur waren.
    Der schmale Bach wurde breiter, die Ufer senkten sich herab. Tolton stapfte in einen Weiher hinaus, der vielleicht fünfzehn Meter durchmaß und am hinteren Ende von einer überhängenden Klippe abgeschlossen wurde. Fette Xeno-Fische flüchteten vor seinen Füßen in die tieferen Bereiche. Es gab keinen anderen Abfluß und auch keinen sichtbaren Zufluß.
    »Und was jetzt?« fragte er klagend.
    »Auf der anderen Seite gibt es ein Zuleitungsrohr«, sagte Rubras Stimme. »Ich habe das Wasser abgeschaltet, so daß Sie hindurchtauchen können. Es ist nur fünf Meter lang und beschreibt einen Knick, und es gibt kein Licht, aber es führt in eine Höhle, wo Sie sicher sind.«
    »Eine Höhle? Ich dachte immer, Höhlen entstehen im Verlauf von Millennien durch Auswaschungen in natürlichem Fels?«
    »Nun ja, eigentlich ist es eine Flutkammer. Ich wollte Sie nicht mit technischen Einzelheiten verwirren; nicht bei ihrem künstlerischen Hintergrund.«
    Tolton meinte, einen gereizten Unterton zu erkennen. »Danke«, sagte er und begann, in Richtung der Klippe zu waten. Ein paar weitere Anweisungen, und er tauchte unter die Wasseroberfläche. Das Rohr war leicht zu finden, ein pechschwarzes rundes Loch mit einem Durchmesser von kaum eineinhalb Metern. Tolton wußte, daß er niemals imstande sein würde umzukehren oder zurückzuweichen, also zwang er sich, in den Eingang zu schwimmen. Hinter ihm stiegen Luftblasen auf.
    Es konnte keine fünf Meter lang gewesen sein, eher zwanzig oder dreißig. Die Biegungen waren scharf, eine führte ihn tiefer nach unten, die andere wieder nach oben. Er durchbrach die Oberfläche mit einem ächzenden Schrei. Die Höhle war eine zwanzig Meter durchmessende Kuppel, und jede Oberfläche war naß. Dünne Bäche rannen an den Wänden entlang. Er war in einem Teich genau in der Mitte der Höhle aufgetaucht. Als er nach oben blickte, entdeckte er ein großes Loch im Apex, und Tropfen platschten ihm in das Gesicht. Hoch oben an den Wänden verlief ein Ring elektrophosphoreszierender Zellen, die jede Ecke mit einem schwachen rötlichen Lichtschein erhellten.
    Tolton paddelte zum Rand des kleinen Tümpels und schob sich auf den

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