Seelengesaenge
Zwei der unter sieben Jahre alten Kinder rauchten Zigaretten.
Auf der anderen Seite der Lichtung standen vier Leute in gewöhnlicher Kleidung beieinander und unterhielten sich mit lauten, erregten Stimmen. Sie gestikulierten mit den Händen und deuteten auf zahlreiche elektronische Gegenstände zu ihren Füßen, die Paraphernalien einer professionellen MF-Aufnahme.
Dariat sah, daß Kiera Salter in der Gruppe stand und ging zu ihr. Sie trug ein weißes Bustier mit winzigen Perlenknöpfen auf der Vorderseite. Die Hälfte davon stand offen und zeigte ihr Dekollete. Darunter gab ein winziger kleiner Minirock den Blick auf lange gebräunte Beine und nackte Füße frei. Mit den offenen Haaren über den Schultern war es ein atemberaubender Anblick – bis sie sich Dariat zuwandte. Marie Skibbows Körper mochte eine fleischgewordene männliche Phantasie sein, doch die bösartige Intelligenz, die jetzt in ihrem Schädel wohnte, verursachte bei Dariat ein kaltes Frösteln.
»Wie ich höre, scheinst du die Nerven zu verlieren, Dariat«, sagte sie knapp. »Bis jetzt habe ich Geduld mit dir gehabt, weil du für uns nützlich gewesen bist. Aber wenn es noch einmal zu einem Zwischenfall wie der Geschichte im Tunnel kommt, dann ist meine Geduld mit dir unwiderruflich zu Ende.«
»Wenn ihr mich nicht mehr bei euch habt, um Rubra zu begegnen, dann seid ihr es bald selbst, die mit den Nerven am Ende sind. Er jagt jeden einzelnen Besessenen im gleichen Augenblick zurück in das Jenseits, in dem er auch nur die geringste Chance wittert. Und es ist ihm dabei gleichgültig, was mit den Leuten geschieht, deren Körper wir gestohlen haben.«
»Du wirst allmählich langweilig, Dariat. Und nach dem, was ich gehört habe, war das kein Temperamentsausbruch im Tunnel, sondern eher ein psychopathischer Anfall. Du bist ein geistesgestörter Wahnsinniger, Dariat, und das finden meine Leute höchst beunruhigend. Von jetzt an wirst du dich mit aller Kraft darauf konzentrieren, diesen Rubra aus dem neuralen Stratum zu löschen, und du hörst augenblicklich auf, deine Meinungsverschiedenheiten kundzutun, sonst ergeht es dir schlecht. Ist das klar?«
»Wie Glas.«
»Sehr gut. Ich weiß zu schätzen, was du für uns tust, Dariat. Du mußt nur lernen, ein wenig sanfter vorzugehen, das ist alles.« Sie bedachte ihn mit einem künstlich mitfühlenden Lächeln.
Dariat bemerkte eins der Xeno-Flugreptilien auf einem Baum hinter ihr, das interessiert die Szenerie auf der Lichtung beobachtete. Er mußte unwillkürlich grinsen, doch sein Gesicht blieb hinter der energistischen Maskerade verborgen, mit der er sich umgeben hatte. »Ich schätze, du hast recht, Kiera. Ich versuch’s.«
»Guter Junge. Sieh mal, ich möchte genausowenig von Rubra aus dem Habitat vertrieben werden wie du. Das hier ist eine gute Sache, und wir können beide unseren Status erhalten, wenn wir nur die Ruhe bewahren. Wenn diese Aufzeichnung so funktioniert, wie ich hoffe, dann sollten bald Scharen von Freiwilligen hier eintreffen, um sich uns anzuschließen. Und dann bringen wir Valisk an einen Ort, wo Rubra uns nicht mehr schaden kann. Für immer. Deine Aufgabe besteht darin zu verhindern, daß er uns bis dahin zuviel Schwierigkeiten bereitet. Überlaß den Rest ruhig mir, in Ordnung?«
»Ja, sicher. Ich verstehe.«
Sie nickte, und das Gespräch war beendet. Dann holte sie tief Luft und wandte sich wieder dem Aufzeichnungsteam zu. »Seid ihr endlich fertig?«
Khaled Jaros starrte auf den widerwilligen Prozessorblock in seiner Rechten. »Ich denke schon, ja. Ich bin sicher, diesmal funktioniert’s. Ramon hat ihn umprogrammiert, so daß nur die grundlegenden Routinen zur Verfügung stehen. Wir können weder Geruchs- noch thermische Aufzeichnungen anfertigen, aber die AV-Kapazität scheint stabil zu sein. Mit ein wenig Glück gelingt es uns später, noch ein paar nachträgliche emotionale Aktivierungssequenzen einzuflechten.«
»Also schön, versuchen wir es noch einmal«, sagte sie laut.
Unter Khaleds Regie nahm die Gruppe ausgelassener Jugendlicher einmal mehr ihre Position ein. Ein Pärchen fing an, im Gras zu schmusen, ein weiteres sprang ins Wasser. Die kleinen Kinder drückten ihre Zigaretten aus und rannten kreischend und lachend im Kreis. »Nicht so laut!« herrschte Khaled sie an.
Kiera begab sich zu ihrer eigenen Position an einem Felsen direkt am Wasser. Sie räusperte sich und strich das Haar nach hinten.
»Mach noch ein paar Knöpfe auf, bitte«, wies Khaled sie
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