Seelengesaenge
Wahrnehmung seines Schiffes. Der Planet war als steiler Trichter in der ebenen Struktur der Raumzeit zu erkennen, und sein Gravitationsfeld saugte einen stetigen Strom winziger Partikel ein, die frei durch das interstellare Medium trieben.
Eine Reihe kleiner Massezentren, die sowohl im magnetischen als auch im elektromagnetischen Spektrum hell leuchteten, bewegte sich rings um den Trichterrand.
– Sie hätten bereits letzte Woche aufbrechen sollen, sagte er rhetorisch. Auf seinen lautlosen Wunsch hin richtete die Intari ihre Sensorbündel auf den Planeten selbst, der am Grund des Trichters lag, und verschob den Wahrnehmungsschwerpunkt in das sichtbare Spektrum. Norfolks Masse füllte Nagars Bewußtsein. Die beiden Lichtquellen teilten die Oberfläche in deutlich verschieden gefärbte Bereiche, die nur von einer ganz schmalen Zone der Dunkelheit getrennt wurden. Das Land unter dem zinnoberfarbenen Licht von Duchess wirkte vollkommen normal, genau wie in den Erinnerungen der Intari anläßlich ihres letzten Besuchs vor fünfzehn Jahren gespeichert. Der Bereich Norfolks jedoch, der unter Duke erstrahlte, war von roten Wolkenflecken übersät.
– Sie leuchten, sagte die Intari und konzentrierte sich auf die schmale Sichel aus Dunkelheit.
Bevor Nagar etwas zu dem beunruhigenden Schauspiel sagen konnte, meldete die Kommunikationskonsole einen eintreffenden Ruf der kommandierenden Admiralin, die sich nach dem Grund ihrer Ankunft erkundigte. Nachdem Nagar den Identitätskode der Intari abgesetzt hatte, berichtete die Admiralin über die Ereignisse auf der Oberfläche des unglückseligen Planeten. Achtzig Prozent der bewohnten Inseln waren inzwischen von roten Wolken bedeckt, die scheinbar jeden Versuch von Kommunikation unterbanden. Die planetaren Behörden waren außerstande, in den betroffenen Zonen die Ordnung aufrecht zu erhalten. Polizei und bewaffnete Milizen hatten ohne Unterschied gemeutert und sich den Rebellen angeschlossen; selbst die Abteilungen der Königlichen Marines, die zur Unterstützung der Armee ausgesandt worden waren, hatten den Kontakt abgebrochen. Norwich selbst war am Vortag in die Hände der Rebellen gefallen, und inzwischen verfestigten sich auch über der Hauptstadt die ersten roten Wolkenschleier. Diese Substanz verhinderte mehr als alles andere, daß die Admiralin einen Vergeltungsschlag durch Bodenbombardements befahl. »Es ist mir ein Rätsel, wie die Rebellen es schaffen, eine derartige elektromagnetische Störstrahlung zu erzeugen!« berichtete sie.
»Das können sie nicht«, antwortete Nagar. »Weil es nämlich keine Rebellen sind.« Er übermittelte per Datavis auf einem gesicherten Kommunikationskanal die Warnung des Leitenden Admirals.
Kommandantin Layia schwieg, während die Übertragung im Gange war. Als sie endete, blickte sie sich auf der Brücke um. Die Stimmung ihrer Besatzung war gedrückt.
»Jetzt wissen wir also, was mit der Tantu geschehen ist«, sagte Furay. »Höllenfeuer, ich hoffe nur, es ist ihnen nicht gelungen, das verfolgende Schiff abzuhängen.«
Layia musterte ihn wütend, und in ihrem Verstand rührten sich alle möglichen unbehaglichen Gedanken. »Du hast drei Passagiere von demselben Aerodrom an Bord gebracht, von dem aus das Raumflugzeug der Tantu gestartet ist. Das kleine Mädchen war mitten in einem merkwürdigen Feuer gefangen, das hast du selbst erzählt. Und ursprünglich kommen die drei von Kesteveen Island, wo alles angefangen hat.«
»Ach, jetzt komm schon!« protestierte Furay. Die anderen starrten ihn alle an, unentschlossen, aber mißtrauisch. »Sie sind von Kesteveen geflohen! Sie haben ihre Passage an Bord der Far Realm mindestens zehn Stunden vor Ausbruch des Feuers gekauft!«
»Wir haben eine Menge elektronischer Fehler«, wandte Tilia ein.
»Ach, tatsächlich?« entgegnete Furay beißend. »Du meinst, mehr als gewöhnlich?«
Tilia funkelte den Piloten des Raumflugzeugs wütend an.
»Nun ja, ein paar mehr«, murmelte Layia ernst. »Aber nichts Außergewöhnliches, wie ich gestehen muß.« Die Far Realm mochte zwar ein SU-Raumschiff sein, doch das bedeutete noch lange nicht, daß die Eignergesellschaft vorbildliche Wartungsarbeiten durchführen ließ. Kostenbegrenzung lautete die oberste Priorität der Gesellschaft in diesen Tagen, ganz anders als damals, als Layia mit der Raumfahrt angefangen hatte.
»Sie sind nicht besessen«, sagte Endron.
Layia bemerkte überrascht die leise Autorität in seiner Stimme. Er klang so sicher.
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