Seelengesaenge
Typen wie er, Schiffe wie die Villeneuve’s Revenge … man muß sie aufhalten, und zwar für immer. Wir sollten jedes Besatzungsmitglied von jedem unabhängigen Händlerschiff auf eine Strafkolonie schaffen, die Schiffe zerlegen und die Einzelteile verkaufen oder verschrotten.«
»Jawohl, Sir.«
»Gehen Sie, Lieutenant. Treffen Sie Vorbereitungen, um mich nach Trafalgar zu verlegen. Ich möchte mich dort erholen, nicht hier.«
»Sir … Jawohl, Sir. Ich werde Ihre Bitte weiterleiten. Allerdings kann es eine Zeitlang dauern, bis man Sie verlegt. Wie ich bereits sagte, eine konföderationsweite Quarantäne ist in Kraft. Wir könnten sie in eine mehr private Umgebung schaffen und bewachen lassen, Sir.«
Wieder antwortete Erick lange Zeit nicht. Li Chang ertrug es mit stoischem Gleichmut.
»Nein«, erwiderte er schließlich. »Ich bleibe hier. Duchamp bezahlt für mich; vielleicht reichen die Kosten für meine Behandlung zusammen mit den Reparaturen, die sein Schiff benötigt, aus, um den Bastard in den Ruin zu treiben. Ich schätze, die Behörden von Culey betrachten einen Haufen Schulden als schlimmes Verbrechen, schließlich geht es ums Geld und nicht um die Moral.«
»Jawohl, Sir.«
»Das erste Schiff, das von hier nach Trafalgar geht, Lieutenant. Ich werde an Bord sein.«
»Ich werde alles arrangieren, Sir. Verlassen Sie sich auf mich.«
»Gut. Gehen Sie jetzt.«
Sie fühlte sich schuldiger als jemals zuvor in ihrem Leben, als sie sich umwandte und der Abschirmung den Befehl zum Öffnen erteilte. Ein rascher Blick zurück über die Schulter, als sie nach draußen trat – in der Hoffnung, ihr Gewissen zu beruhigen, zu sehen, wie er sich entspannte und in Schlaf sank – zeigte ihr immer noch offene tief eingesunkene Augen; ein wütendes, betäubtes Starren, das ins Nichts gerichtet war. Dann schloß sich die Abschirmung wieder.
Alkad Mzu klinkte sich aus dem Sensordisplay der Raumflugkontrolle von Nyiru aus, sobald sich der Wurmloch-Zwischenraum geschlossen hatte. Auf fünfzigtausend Kilometer Entfernung hatte es nicht viel optischen Input gegeben; die Visualisierung bestand hauptsächlich aus Graphiken, die hochgerechneten pixeligen Bildern überlagert waren. Doch trotz aller mangelnden echten Sicht gab es keinen Zweifel. Die Udat war aufgebrochen.
Alkad blickte durch das riesige Fenster des Aussichtsraums, der unmittelbar über dem Docksims des Asteroiden in den Felsen geschlagen war. Unter dem Rand des massiven nicht-rotierenden Raumhafens in einer Entfernung von eineinhalb Kilometern war nur eine schmale Sichel vom Sternenhimmel zu sehen. Narok selbst trieb ins Blickfeld, eingehüllt in weiße Wolken, deren Albedo hoch genug war, um ein fahles Licht zu erzeugen. Schwache langgezogene Schatten zogen sich über das Sims, deren Ursprung in den Blackhawks und Voidhawks lag, die auf ihren Gestellen ruhten. Sie kreisten über den glatten Fels wie gigantische Sekundenzeiger. Alkad wartete, bis Narok wieder hinter dem scharfen künstlichen Horizont verschwunden war. Das Eintauchmanöver der Udat mußte inzwischen abgeschlossen sein. Noch ein weiteres, und der kleine Resonator, den sie an Bord des Blackhawks versteckt hatte, würde sich aktivieren.
Alkad verspürte keine Zufriedenheit, geschweige denn ein Glücksgefühl. Ein einzelner Blackhawk mitsamt seinem gierigen Kommandanten waren wohl kaum Wiedergutmachung für das Leid, das über Garissa gekommen war, den Tod eines ganzen Volkes. Aber es war zumindest ein Anfang. Wenn schon nichts anderes, so doch wenigstens ein innerer Beweis, daß sie noch immer von der gleichen leidenschaftlichen Entschlossenheit erfüllt war wie vor dreißig Jahren, als sie Peter zum Abschied geküßt hatte. »Auf Wiedersehen«, hatte er beharrlich entgegnet. Ein Wunsch, an den zu glauben sie sich hatte zwingen müssen.
Vielleicht war die glühende Hitze des Hasses im Lauf der Jahrzehnte abgekühlt. Doch die Tat war geblieben, und fünfundneunzig Millionen toter Menschen verließen sich auf sie, auf ihre Vergeltung. Es war nicht rational, das wußte sie, dieses schreckliche Verlangen nach Rache. Aber es war so deprimierend menschlich. Manchmal dachte Alkad, ihr Verlangen nach Rache wäre alles, was ihr noch geblieben war, um ihr Menschsein zu beweisen, ein einziger unüberwindlicher Zwang. Jede andere wirkliche Regung schien während der langen Jahre in Tranquility, verschwunden zu sein unterdrückt von der Notwendigkeit, sich normal zu verhalten. So normal, wie sich eben
Weitere Kostenlose Bücher