Seelengesaenge
beiden anderen wurden offensichtlich geheilt, bevor sie sich hineinlegten. In beiden Fällen gaben die Possessoren einfach auf und verließen lieber die Körper, als sich einer temporalen Stasis zu unterziehen.«
»Das ist so ungefähr die beste Nachricht, die ich in den letzten zehn Stunden gehört habe«, erwiderte Ralph. »Wir können sie schlagen, wir können sie herauszwingen, ohne daß wir den Körper töten, den sie in Besitz genommen haben. Das bedeutet, daß wir nicht nur auf Zeitgewinn kämpfen. Wir haben eine Chance.«
»Ja. Das verdanken wir Ihnen allein, Ralph. Wir wissen zwar immer noch nicht, warum die Besessenen solche Angst vor Null-Tau haben, aber der Grund wird sich zweifellos bei einer der nächsten Persönlichkeitsextraktionen herausstellen.«
»Also wollen Sie die geheilten Gefangenen einer Extraktion unterziehen?«
»Soweit sind wir noch nicht, Ralph. Obwohl ich persönlich denke, daß es irgendwann unvermeidlich wird. Im Augenblick dürfen wir uns nicht von unserer Aufgabe ablenken lassen. Wir müssen die Mortonridge-Städte neutralisieren. Die wissenschaftliche Seite der Geschichte kann noch warten.«
»Wie ist der Zustand der Gefangenen?«
»Im allgemeinen ganz ähnlich dem von Gerald Skibbow. Sie leiden unter Desorientierung und sind teilnahmslos, wenngleich ihre Symptome bei weitem nicht so ausgeprägt sind wie bei Skibbow. Aber sie waren ja auch nur ein paar Stunden besessen. Skibbow stand wochenlang unter Kingsford Garrigans Kontrolle. Ganz bestimmt stellen sie gegenwärtig keine Gefahr mehr dar. Wir haben sie trotzdem in Sicherheitszellen untergebracht, nur für den Fall. Das erste Mal, daß ich mit Leonard DeVille einer Meinung war.«
Ralph schnaubte verächtlich, als er den Namen hörte. »Das wollte ich Sie sowieso fragen, Sir. Was hat es mit diesem DeVille auf sich?«
»Ah. Hm, tut mir wirklich leid deswegen, Ralph. Es ist eine rein politische Angelegenheit zwischen uns und unserem lieben Konkurrenzdienst. DeVille ist einer von Jannikes Zöglingen. Die ISA überwacht sämtliche wichtigeren Politiker des Königreichs, und wer eine reine Weste hat, wird sanft nach oben befördert. DeVille ist schon fast unanständig sauber, wenn auch ein wenig wirr im Kopf. Jannike zieht ihn als möglichen Nachfolger von Warren Aspinal heran. Er soll einmal Premierminister von Xingu werden. Am liebsten hätte sie ihm die Leitung unserer Operation übertragen.«
»Weswegen Sie die Prinzessin gebeten haben, mich als leitenden Berater einzusetzen …«
»Ganz genau. Ich habe bereits mit Jannike über ihn gesprochen. Wahrscheinlich ist es Häresie von mir, aber ich denke, das Problem, das die Besessenen für uns darstellen, könnte vielleicht ein wenig wichtiger sein als unsere internen Rivalitäten.«
»Danke sehr, Sir. Es wäre schön, ihn nicht ständig im Nacken zu haben.«
»Ich bezweifle ohnehin, daß er noch ein größeres Problem für Sie darstellen würde, Ralph. Sie haben heute nacht phantastische Arbeit geleistet. Glauben Sie nicht, daß wäre niemandem aufgefallen. Sie haben sich selbst dazu verdammt, den Schreibtisch eines Sektionschefs einzunehmen, und zwar bis in alle Ewigkeit. Ich kann Ihnen versichern, daß Sie nie wieder Langeweile haben werden.«
Ralph brachte im Dämmerlicht der Flugzeugkabine ein besinnliches Lächeln zustande. »Klingt im Augenblick ganz verlockend.«
Roche Skark beendete die Verbindung.
Ralph ließ sich per Datavis einen aktuellen Lagebericht aus dem Kontrollzentrum überspielen. Das Geschwader königlicher Truppentransporter war bereits von Guyana gestartet und beim Landeanflug. Fünfundzwanzig Hyperschallmaschinen mit Einsatzkommandos der Polizei jagten von überall auf dem Kontinent in Richtung Mortonridge. Inzwischen war jeglicher Bodenverkehr auf den Straßen zum Erliegen gekommen, und schätzungsweise fünfundachtzig Prozent aller Geländefahrzeuge waren geortet und ebenfalls stillgelegt. Die Ausgangssperre wurde an jeden Haushaltsprozessor auf ganz Xingu übermittelt. Die Polizei in den vier Städten auf Mortonridge traf die letzten Vorbereitungen, das ausgerufene Kriegsrecht durchzusetzen.
Es sah nicht schlecht aus. Im Computer jedenfalls. Alles sicher im Griff. Aber wir müssen irgend etwas übersehen haben. Irgend jemand ist uns bestimmt durch die Maschen gegangen. Irgend jemand geht immer durch die Maschen. Jemand wie Mixi Penrice.
Irgend jemand … der beispielsweise die konföderierten Marines im Dschungel von Lalonde im Stich gelassen
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