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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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diesem Augenblick, in dem sie Josef Gerlach dort stehen sah, begriff sie, dass er sie umbringen würde. Wenn nicht gleich jetzt, dann irgendwann später. Er konnte sie nicht laufen lassen. Sie erinnerte sich, wie er das zu ihr gesagt hatte, immer wieder, wie einem ungehorsamen Kind. Wenn es ihr nicht gelang zu fliehen, würde sie sterben. So einfach war das.

    »Hunger?«
    Clara verstand ihn nicht sofort, so sehr überraschte ihn seine Frage.
    »Haben Sie Hunger?«, wiederholte er, und seine Stimme klang seltsam unbeteiligt, fast höflich.
    »Durst!«, flüsterte sie. Ihre Stimme war nichts als ein heiseres Krächzen.
    Er nickte. Sein Blick fiel auf das Erbrochene neben dem Bett, und er runzelte die Stirn. »Das ist ja ekelhaft«, sagte er. »Widerlich.«
    Clara fiel darauf nichts ein, daher schwieg sie.
    »Sie werden das wegmachen.«
    Clara nickte. »… Lappen und einen Eimer«, stieß sie mühsam hervor. Ihr Hals brannte wie Feuer.
    Er ging. Clara hörte den Schlüssel im Schloss. Das Licht ließ er brennen. Fünf Minuten später kam er wieder, mit einem Putzeimer und einem Lappen. Er stellte es wortlos in das Zimmer und ging wieder.
     
    Als er wiederkam, hatte sie saubergemacht, so gut es ging. Er nahm den Eimer mit spitzen Fingern und sah sie angewidert an. Obwohl es nicht ihre Schuld war, schämte sich Clara und senkte den Kopf.
    »Kommen Sie mit«, sagte er. Gehorsam stand sie auf und folgte ihm. An der Tür blieb er noch einmal stehen und packte sie am Hals, so wie er es gestern schon einmal getan hatte. Er drückte nicht zu, doch Clara blieb bereits vor Angst die Luft weg.
    »Wenn Sie irgendeine Dummheit machen, bringe ich Sie augenblicklich um. Haben Sie das verstanden?«
    Clara bemühte sich zu nicken. Sie wusste, dass er eine Antwort erwartete. Sie würde keinen Fluchtversuch wagen. Nicht
jetzt. Erst musste sie sich ein wenig orientieren und sich besser fühlen. Sie wollte nicht daran denken, dass ihr die Zeit dafür vielleicht gar nicht blieb.
    Er stieß eine Tür auf und schob sie hinein. »Waschen Sie sich«, sagte er und schloss ab.
    Es war eine Toilette mit einem winzigen Handwaschbecken. Erst jetzt merkte sie, wie dringend sie auf die Toilette musste. Am Beckenrand lagen ein sauberes Handtuch und eine Kernseife bereit. Clara schüttelte den Kopf. Was für ein seltsamer Mensch. Doch das machte das Ganze noch beunruhigender. Was hatte er mit ihr vor? Als sie in den Spiegel über dem Waschbecken sah, erschrak sie heftig. Ihr ganzes Gesicht war zugeschwollen, und die eine Gesichtshälfte stellenweise dick mit Blut verklebt. Auf ihrem Hals konnte man rote Druckstellen von seinen Fingern erkennen. Mühsam befreite sie ihr Gesicht von dem Blut und verzog dabei das Gesicht vor Schmerzen. Endlich war sie fertig, und sie war Josef Gerlach tatsächlich für Handtuch und Seife dankbar.
    Sie klopfte leise, und sofort öffnete er die Tür und brachte sie in das kleine Zimmer zurück. Das Licht brannte noch. Auf dem Tisch in der Ecke standen eine Plastikflasche Wasser und ein Holzbrettchen mit zwei Butterbroten. Er wollte wieder gehen, doch Clara hielt ihn auf. »Bitte, bleiben Sie doch noch da!«, bat sie, noch immer krächzend.
    Er zögerte.
    »Bitte!«
    Er blieb wachsam an der Tür stehen, während sie zum Tisch ging und nach der Wasserflasche griff. Durstig nahm sie ein paar Schlucke, dann hielt sie abrupt inne. Womöglich hatte er ihr etwas ins Wasser gemischt? Sie stellte die Flasche zurück auf den Tisch, bemüht, ihr Misstrauen nicht zu zeigen, und wandte sich dem Mann an der Tür zu.

    »Was wollen Sie von mir?«, fragte er.
    Clara starrte ihn verdutzt an. Fast hätte sie gelacht. »Ich von Ihnen? Was wollen Sie von mir?«
    »Ich? Nichts!« Seine Stimme bebte plötzlich. »Ich will überhaupt nichts. Nur in Ruhe gelassen werden. Nur in Ruhe gelassen werden! Aber das geht ja nicht. Man lässt mich nicht in Ruhe! Zuerst dieser Gruber und jetzt Sie!«
    »Was hat Walter Gruber Ihnen denn angetan?«, wollte Clara wissen.
    Gerlach starrte sie an. Seine Augen begannen zu flackern. »Warum tun Sie das?«, fragte er leise und kam auf sie zu.
    Clara wich einen Schritt zurück. »Was denn?«, fragte sie furchtsam. »Was tue ich denn?« Sie hob beide Hände, wie zur Kapitulation. »Sehen Sie, ich tue doch gar nichts …«
    Obwohl sie nicht ganz unvorbereitet war, traf sie der Schlag mit einer derartigen Wucht, dass sie seitlich wegtaumelte und mit der Schulter hart gegen die Wand schlug. Sie ging in die Knie und hob

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