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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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unpassend vor, vollkommen deplatziert, aber er konnte es nicht ändern. »Ich bin ganz froh, dass du kein Politiker wirst«, sagte er schließlich.
    Armin sah ihn überrascht an. Seine Augen waren rot. »Echt?«
    Gruber nickte. »Das sind doch sowieso alles Verbrecher. Mein Vater hat immer gesagt, steck sie alle in einen Sack, hau drauf und …«
    »… du erwischst nie den Falschen!«, ergänzte Armin, und sein Gesicht entspannte sich ein wenig. »Aber …«, begann er wieder, doch Gruber ließ ihn nicht ausreden.
    »Wegen deiner Mutter musst du dir keine Gedanken machen. Sie war so oder so stolz auf dich.« Er schwieg einen Augenblick,
dann fügte er noch hinzu: »Es spielt keine Rolle, verstehst du?«
    Armin nickte langsam. »Ja«, sagte er dann, und aus seiner Stimme klang Erleichterung. »Vielleicht hast du recht.«
    Gruber sah auf die Uhr. Wenn Armin den Zug erreichen wollte, mussten sie jetzt los. Er trank sein Weißbier aus und meinte dann zögernd: »Dann musst du ja jetzt gar keine Vorlesungen besuchen, oder?«
    Armin schüttelte den Kopf.
    »Könntest also noch ein paar Tage dableiben?«
    »Könnte ich.«
    Gruber sah seinen Sohn an. »Soll ich uns noch ein Weißbier holen?«
    Armin nickte.
     
    Als sie eine gute Stunde später nach draußen traten, hatte Gruber das Gefühl, als ob sich das schwarze Loch in seinem Inneren ein klein wenig geschlossen hätte. Vielleicht ging doch nicht alles zu Ende. Vielleicht konnte doch irgendwo etwas Neues seinen Anfang nehmen. Sie gingen bis zum Stachus, dann kramte Gruber sein Handy aus der Tasche. Fast hätte er vergessen, die Niklas anzurufen. Sie hatte ihm gestern nach der Beerdigung noch eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen, die recht dringend geklungen hatte. Er rief bei ihr zu Hause an, doch es meldete sich nur der Anrufbeantworter, auf dem sie ihre Handynummer angab. Er brauchte zwei Anläufe, um sie sich zu notieren, dann wählte er diese Nummer. Er ließ es lange klingeln, und gerade, als er auflegen wollte, meldete sich jemand:
    »Ja?« Es war die Stimme eines Mannes.
    Gruber war etwas irritiert »Hier ist Walter Gruber. Ich wollte eigentlich Frau Clara Niklas sprechen.«

    »Sie ist leider nicht da!«
    »Und wer sind Sie?«, fragte Gruber misstrauisch.
    »Oh, ich bin Michael. Michael Hamilton, Claras Freund. Sie hat ihr Handy anscheinend bei mir vergessen.«
    Jetzt hörte Gruber den leichten Akzent in seiner Stimme und erinnerte sich an den unrasierten Engländer, der damals in dem Fall Imhofen mit Claras Sozius auf dem Präsidium gewesen war. Das also war ihr Freund. Er hatte damals schon so etwas in dieser Richtung vermutet, aber sich nicht weiter dafür interessiert. Eine etwas extravagante Wahl, dachte er bei sich. Aber es ging ihn ja nichts an.
    »Wo kann ich sie denn erreichen?«, fragte er. »Ich glaube, es ist dringend.«
    »Ist sie denn nicht zu Hause?«
    Gruber verneinte.
    »Vielleicht ist sie mit Elise spazieren«, vermutete der Mann, und Gruber hörte, wie er sich eine Zigarette anzündete. Im Hintergrund spielte Musik. »Sie kommt später vorbei, soll ich ihr etwas ausrichten?«
    »Wenn sie mich bitte zurückrufen könnte.«
    Der Mann versprach, es ihr zu sagen, und Gruber legte auf. Dann versuchte er es noch unter Claras Kanzleinummer, doch auch dort meldete sich nur der Anrufbeantworter. Er schob das Handy zurück in seine Jackentasche und wandte sich an seinen Sohn: »Wir könnten dein Zimmer aufräumen«, schlug er vor. »Das ganze alte Gerümpel muss raus, jetzt, wo du länger bleibst.«
     
    In Claras Kopf tanzte jemand immer im Kreis herum, zu einer endlosen Musikschleife, links herum und rechts herum und links herum … Ihr wurde schon beim Zusehen übel, und dann, plötzlich war sie es selbst, die tanzte, und die Übelkeit
nahm zu. Sie schaffte es gerade noch, sich über den Bettrand zu beugen, dann musste sie sich schon übergeben. In ihrem Kopf hämmerte es, und jedes Husten verstärkte den Schmerz und ließ sie zusammenzucken. Stöhnend ließ sie sich zurück auf das Kissen fallen. Als sie versuchte, sich den Mund abzuwischen, fuhr sie zurück. Ihr Gesicht war von irgendetwas verklebt und schmerzte bei der geringsten Berührung. Verwirrt tastete sie nach ihrer Nachttischlampe, doch sie griff ins Leere. Dort, wo sie normalerweise stand, war nichts. Mühsam öffnete sie die Augen. Es war stockfinster im Raum. Wo war das Fenster? Normalerweise war es rechts von ihr, doch da war nichts, nicht einmal der Umriss eines Fensters, nur

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