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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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ist es doch eine verwerfliche Tat gewesen.«
    Grubers zerfurchtes Gesicht verzog sich zu einem traurigen Lächeln. »Wie schön, dass wir beide endlich einmal einer Meinung sind.«
    Clara erwiderte sein Lächeln und stellte fest, dass Walter Gruber längst nicht mehr ihren Zorn und ihren Widerspruchsgeist
anstachelte wie damals, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Wann war diese Wandlung eingetreten? Irgendwann, am Ende dieser unseligen Geschichte im letzten Jahr, als sie beide mit leeren Händen dagestanden waren. Gruber war ein kluger Mann und bei weitem nicht so engstirnig, wie sie anfangs vermutet hatte. Und als er sie jetzt um ihre Hilfe gebeten hatte, war es für sie außer Frage gestanden, ihm auch zu helfen. Wer weiß, vielleicht würden sie irgendwann, wenn das alles vorbei war, sogar noch Freunde werden können?
    Sie senkte den Blick wieder auf die Akte. »Gab es denn irgendwelche Hinweise auf den Täter?«
    »Nein. Nicht einmal verwertbare Reifenspuren. Der Schnee hatte alles zugedeckt. Nur ihre Kleider hat man gefunden. Sie lagen oben auf dem Parkplatz. Deshalb wurde auch jemand aufmerksam, weil dort in der Nähe der Böschung ein Haufen Kleider lag.«
    »Aber vielleicht stammte der Täter ja aus dem Umfeld des Opfers, hat man denn nicht herausfinden können, mit wem sie verkehrt hat?« Clara blätterte durch die wenigen Seiten.
    »Es gab kein Umfeld.« Gruber seufzte. »Sie wurde nicht einmal vermisst.«
    »Es gab kein Umfeld?« Clara sah ihn unbehaglich an. »Wie kann das sein? Jeder Mensch hat doch wohl einen gewissen Bekanntenkreis, Arbeitskollegen, Familie …«
    »Gerlinde Ostmann nicht.«
    »Aber …« Clara verstummte hilflos.
    »Sie war Buchhalterin in einer kleinen Firma in Schwabing, die Berufskleidung herstellt. Firma Hartmann. Kochschürzen, Blaumänner, so etwas. Einige Wochen vor ihrem Tod ist ihr gekündigt worden. Angeblich aus Einsparungsgründen. Der 13.12. war ihr letzter Arbeitstag. Sie hatte noch Resturlaub,
und es war kurz vor Weihnachten … kein Mensch hat sie vermisst.«
    »Hatte sie denn gar keine Familie? Freunde?«
    »Offenbar nicht. Nur eine Katze. Ihre Eltern sind beide tot. Keine Geschwister. Sie war geschieden, hatte keine Kinder, und enge Freunde konnten wir keine ausfindig machen. Die Nachbarin hat uns angerufen. Ihr ist irgendwann aufgefallen, dass Gerlinde Ostmann nicht zu Hause war. Normalerweise gab sie der Nachbarin nämlich immer die Schlüssel, wenn sie für ein paar Tage nicht da war oder länger verreiste, damit sie die Katze füttern konnte. Als wir informiert wurden, war sie schon gut zehn Tage tot.«
    Er verstummte.
    »Und die Katze?«
    Gruber lächelte. »Die hat es überlebt.«
    Die große Erleichterung, die Clara bei diesem Satz überkam, war angesichts der tragischen Geschichte geradezu grotesk, und sie schämte sich ein bisschen. Nach einer Weile meinte sie nachdenklich: »Aber gibt es wirklich Parallelen zwischen diesem Fall und dem Mord an Ihrer Frau? Abgesehen vom Fundort? Gerlinde Ostmann ist an einem Herzinfarkt gestorben, und Ihre Frau wurde erwürgt …«
    »Ja, ja, ich weiß«, gab Gruber resigniert zurück. »Ich dachte nur, so einen Zufall kann es doch einfach nicht geben. Das muss doch irgendeine Bedeutung haben?«
    Clara sah ihn mitfühlend an. Natürlich klammerte er sich in seiner Situation an jeden Strohhalm. Sie würde das ebenso tun. Aber war diese Geschichte tatsächlich von Bedeutung? Clara hatte ihre Zweifel, obwohl sie zugeben musste, dass es merkwürdig war. Eigentlich zu merkwürdig für einen bloßen Zufall. Aber wo sollte hier ein Zusammenhang zu finden sein? Sie schüttelte den Kopf. Vielleicht sollten sie sich zunächst
um die naheliegenderen Möglichkeiten kümmern. Es waren ohnehin nicht viele. Genauer gesagt, nur eine einzige, die ihr im Augenblick einfiel: Adolf Wimbacher, Irmgard Grubers ehemaliger Liebhaber.
    Gruber erstarrte, als Clara den Namen nannte und vorschlug, sich erst einmal mit ihm zu unterhalten.
    »Wie kommen Sie denn jetzt auf den?«, wehrte Gruber unwillig ab. »Der ist doch längst schon wieder passé.«
    »Eben darum«, gab Clara geduldig zurück. »Vielleicht hat er das anders gesehen? Ich halte das für ein ziemlich gutes Motiv, und es ist, ehrlich gesagt, auch das einzige halbwegs realistische Motiv, das wir bisher haben.«
    Gruber schwieg eine ganze Weile, dann nickte er. »Sie haben recht. Knöpfen wir ihn uns also vor.« Er stand auf. »Was ist?«
    Clara sah ihn an. »Wie? Jetzt

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