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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Fenstern, dazu die üblichen Reklameschilder, perfekte Menschen, alle lachend und mit blendend weißen Zähnen, die, mit Hilfe der Versicherung von allen Sorgen befreit, ihre erste Wohnung einrichteten, rundum versicherte Kinder bekamen und am Ende mit ebenjenen Kindern und einem Golden Retriever auf einer grünen Wiese umhersprangen. Beim näheren Hinsehen waren die Schilder jedoch gewellt und hatten hie und da Stockflecken, und auf dem Fensterbrett lagen tote Fliegen. Der Mann, der hinter einem billigen weißen Furnier-Computertisch saß, empfing sie mit einem geübten, wenngleich etwas müden Was-kann-ich-für-Sie-tun-Lächeln, das jedoch auf der Stelle gefror, als Walter Gruber eintrat. Adolf Wimbacher war ein kräftiger Mann mit breiten Schultern und einem typischen Wohlstandsbauch, ohne direkt fett zu sein. Sein Gesicht und die Stirnglatze glänzten rosa, er trug eine randlose Brille und hatte hellbraunes, schon etwas spärliches Haar. Rein äußerlich war er das glatte Gegenteil von Walter Gruber.
    »Walter. Grüß’ dich.« Wimbachers Stimme klang wachsam. Zunächst schien er aufstehen zu wollen, um sie zu begrüßen, dann überlegte er es sich anders und blieb sitzen.
    Gruber schwieg. Offenbar hatte er tatsächlich vor, das Reden Clara zu überlassen, und fing damit schon bei der Begrüßung an. Clara warf ihm einen schnellen Blick zu. Sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos, weder Wut noch sonst irgendein Gefühl war darauf abzulesen. Lediglich seine dunklen
Augen konzentrierten sich mit beunruhigender Intensität auf Adolf Wimbacher, der jetzt zunehmend unsicher wurde. »Was willst du?«, fragte er, und dann, an Clara gerichtet: »Und wer sind Sie überhaupt?«
    Clara lächelte möglichst entwaffnend, wie sie hoffte, und reichte ihm ihre Hand. »Ich bin Clara Niklas, Herrn Grubers Anwältin. Wir wollen nur einen Augenblick mit Ihnen sprechen. Dürfen wir uns setzen?« Wimbacher nickte automatisch, obwohl ihm anzusehen war, dass er am liebsten den Kopf geschüttelt und sie beide schnurstracks wieder hinausbefördert hätte.
    Sie setzten sich, ohne ihre Jacken auszuziehen. Es würde nicht lange dauern, sollte das signalisieren, und dazu hob Clara in einer entschuldigenden Geste die Arme. »Es tut mir leid, dass wir hier einfach so hereinplatzen, ohne uns angemeldet zu haben, sicher haben Sie furchtbar viel zu tun …«
    Wimbacher winkte ab. »Schon gut.«
    »Danke, dass Sie sich einen Augenblick Zeit für uns nehmen.« Clara schenkte ihm ein dankbares Lächeln und wurde sofort wieder ernst. »Sie können sich wahrscheinlich denken, dass wir wegen Herrn Grubers Frau hier sind. Sicher haben Sie schon von dem tragischen Unglück gehört?«
    Adolf Wimbacher nickte, und nach einem kurzen Seitenblick auf den wie versteinert dasitzenden Gruber murmelte er: »Schreckliche Geschichte.«
    »Ja. Sie … ähm … haben ja Frau Gruber recht gut gekannt, deshalb wollten wir …«, begann sie vorsichtig, doch Wimbacher unterbrach sie sofort.
    »Aber das war doch längst vorbei! Schon mindestens ein halbes Jahr, wenn nicht länger. Eine saudumme Geschichte. Ich und Irmgard waren schon seit einer Ewigkeit gute Freunde. Und dann plötzlich hat es sich halt ergeben, dass
mehr draus wurde.« Er nahm die Brille ab und rieb sich über die Augen, dann schüttelte er den Kopf. Als er Clara wieder ansah, waren seine Augen gerötet. »Wir haben uns recht schnell wieder getrennt, schon nach ein paar Monaten war uns klar …« Er unterbrach sich, hustete und setzte dann umständlich die Brille wieder auf, bevor er weitersprach: »Also, es war eigentlich Irmgard, die zuerst begriffen hat, dass wir einen Fehler gemacht haben.«
    »Und Sie? Wie haben Sie darüber gedacht?«, wollte Clara wissen. »Waren Sie nicht verletzt? Wütend?«
    Wimbacher lächelte jetzt, ein wenig wehmütig. »Ach, was heißt schon verletzt? Es war halt so. Da ließ sich nichts dran ändern.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich sagte ja schon: Es war eine dumme Sache. Wir wären besser nur Freunde geblieben.«
    Clara schwieg einen Augenblick und sah zu Gruber hinüber, der noch immer regungslos neben ihr saß. Diese dumme Sache hatte seine Ehe zerstört und war auf irgendeine Art und Weise, die ihnen noch immer nicht klar war, vielleicht sogar der Grund von Irmgard Grubers Tod. Und gleichzeitig war die ganze Geschichte so banal, dass es kaum zu ertragen war. Sie bewunderte Gruber für die Selbstbeherrschung, die ihn dazu brachte, hier schweigend zu sitzen und dem

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