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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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gehen und dort zusammen zu Mittag essen.«
    Gruber stimmte zu, obwohl es ihm ganz offensichtlich lieber gewesen wäre, alles sofort zu erfahren. Wahrscheinlich wäre er sogar noch heute Abend bei ihr vorbeigekommen, wenn sie ihn darum gebeten hätte.
    Als Clara auflegte, kam ihr kurz der Gedanke, dass dies vielleicht gar keine so schlechte Idee gewesen wäre. Wenn sie mit ihrer Vermutung recht hatte, dann wäre das sogar eine hervorragende Idee gewesen … Sie nahm ihre Aktentasche und holte die Zeitung heraus, die sie wie jeden Morgen auf dem Weg zur Kanzlei gekauft hatte. Heute hatte sie jedoch den ganzen Tag keine Zeit gefunden, auch nur einen Blick hineinzuwerfen, geschweige denn Todesanzeigen zu lesen. Sie breitete sie mit fahrigen Fingern auf dem Küchentisch aus, zündete sich nebenbei noch eine Zigarette an und suchte nach dem Trauerteil. Als sie ihn aufgeschlagen hatte, sah sie Grubers Todesanzeige sofort:
    Wir trauern
um
     
    Irmgard Gruber
† 5. Februar 2010
     
     
»Wir vermissen Dich.«
    Walter und Armin

    Clara starrte einen Augenblick darauf und nahm dann die Anzeige, die sie selbst bekommen hatte, und legte sie daneben: In Größe und Schriftbild waren die beiden Todesanzeigen absolut identisch.
    Sie setzte sich. Es war still in der Küche. Sie konnte ihren Atem hören, spürte das Pochen ihres Herzens hart in ihrer Brust. Die Zigarette war zwischen ihren Fingern bis auf den Filter heruntergebrannt. Regungslos sah sie zu, wie der krumme Aschenkegel auf die Zeitung fiel. Dann drückte sie den Stummel aus und stand auf.
    »Ich bin dir zu nahe gekommen«, flüsterte sie in die Stille hinein, und ihre Stimme klang fremd dabei.
    Und plötzlich verstand sie auch den Bibelspruch, von dem sie zunächst gemeint hatte, er wäre als Drohung für sie gedacht: »Mein Herz zittert, Grauen hat mich betäubt, ich habe in der lieben Nacht keine Ruhe …«
    »Du bist es, der nicht mehr schlafen kann, nicht ich bin damit gemeint: Du bist es.«
    Sie nickte langsam und verstand die Warnung, die darin steckte. Clara wanderte durch ihre ausgekühlte Wohnung und schaute aus dem Fenster im Wohnzimmer in die dunkle Nacht. Leider beruhigte sie das Wissen, von wem der Brief war, keineswegs. Im Gegenteil: Er stammte von einem Mann, der eine Frau mit bloßen Händen erwürgt und die Kaltblütigkeit besessen hatte, sie in ihrem eigenen Auto beiseitezuschaffen und das Auto danach wieder ordentlich zurückzubringen, so als sei nichts geschehen. Einem kaltblütigen, berechnenden, brutalen Mörder
    »Kein Wunder, dass du nicht schlafen kannst«, murmelte
Clara ihrem verzerrten Spiegelbild im Fenster entgegen und zog dann hastig die Vorhänge zu. »Aber das liegt nicht an mir.«
    Sie hatte ihn aufgeschreckt. Aber womit? Hatten ihre Nachforschungen am heutigen Nachmittag etwas damit zu tun? Es war die erste richtige Spur, die sie überhaupt entdeckt hatte, und sie hatte zunächst einmal noch gar nichts mit Irmgard Gruber, sondern mit Gerlinde Ostmann zu tun. Bedeutete das, dass zwischen den beiden tatsächlich eine Verbindung bestand? War das der Beweis?
    Clara runzelte die Stirn. Sie würde es gerne glauben, denn das hieße, sie wären einen entscheidenden Schritt weitergekommen, aber im Grunde bedeutete es nichts. Wie hätte der Mörder von ihrem Besuch in der Kneipe erfahren sollen? Hatte ihn etwa der Wirt angerufen und gewarnt? Das hieße, er hatte sie angelogen und wusste ganz genau, um wen es sich bei Papa Joke handelte. Oder war es gar er selbst gewesen, und alles andere war erfunden? Aber weshalb sollte er ihr dann überhaupt so eine Geschichte erzählen und ihr sogar noch vorschlagen, sie bei seinen Gästen nachzuprüfen? Er hätte einfach sagen können, er erinnere sich nicht. Sie schüttelte den Kopf. Das passte nicht zusammen. Und sie hatte dem Wirt noch nicht einmal ihren Namen genannt. Aber wenn es nicht ihr Besuch in der Kneipe gewesen war, der den Mörder aufgeschreckt hatte, was sollte es dann gewesen sein? Es gab ja nichts anderes.
    Die Vorstellung, dass irgendeine Handlung von ihr den Mörder aufs höchste alarmiert hatte und sie gleichzeitig keine Ahnung hatte, was es gewesen war, war zutiefst beunruhigend. Er kannte sie. War über ihre Schritte informiert. Und er wusste, wo sie wohnte …
    Sie sprang auf und ging zum Telefon, um sich ein Taxi zu
rufen. Dann packte sie ein paar zusätzliche Kleidungsstücke in ihre Kanzleitasche, zog sich wieder an und wartete unruhig im Flur. Als es an der Tür klingelte, fragte

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