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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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sie an der Gegensprechanlage nach, ob es sich wirklich um das Taxi handelte, dann erst ging sie mit Elise hinunter. Sie würde heute bei Mick schlafen. Es war ohnehin viel zu kalt in ihrer Wohnung.
    Clara ließ sich von dem Taxifahrer zuerst zu Murphy’s Pub fahren, um Mick Bescheid zu geben. Es war eigentlich nicht unbedingt notwendig, sie hatte seit einiger Zeit schon einen Schlüssel zu seiner Wohnung, und er hatte ihr immer wieder gesagt, sie könne jederzeit hinein, auch unangemeldet. Doch sie wollte seine Privatsphäre wahren und ihn nicht überrumpeln. Zumindest versuchte sie, sich das einzureden. Doch es war natürlich Quatsch: Clara wollte Mick heute Abend sehen, sie hoffte, es wäre womöglich nicht viel los im Pub und er könnte gleich mit ihr mitkommen. Immerhin war es schon nach elf, vielleicht saßen nur noch die üblichen Verdächtigen an der Bar, die, die nie den Weg nach Hause fanden. Mit denen würde Tami spielend allein fertig werden. Doch als das Taxi vor dem Pub hielt, sah sie schon von außen, dass dem heute nicht so war: Die Fensterscheiben waren von innen beschlagen, und eine Traube Raucher hatte sich um den Tisch vor dem Eingang versammelt. Als die Tür aufging, drang laute Musik heraus.
    Sie wandte sich an den Taxifahrer: »Können Sie bitte kurz warten? Ich komme gleich zurück.«
    Sie ließ Elise im Auto, was der gar nicht passte: Sie presste ihren großen Kopf an die Scheibe und sah ihr entrüstet nach. Clara konnte sie winseln hören. Der Taxifahrer würde heute Abend noch eine vollgesabberte Fensterscheibe putzen müssen
und dabei alle Hundebesitzer aufs heftigste verfluchen. Sie konnte es ihm nicht verdenken.
    In Micks Pub war die Hölle los. Im Nebenraum spielte eine Band, die unwahrscheinlichen Krach machte und entfernt an die Pogues erinnerte. Vor der Bühne sprangen die Zuhörer herum und kreischten mit. Clara hatte Mühe, sich durch die Menge nach vorne zur Bar durchzuquetschen. Mick stand am Zapfhahn und zapfte ein Bier nach dem anderen. Nebenbei kassierte er von den Gästen an der Bar die Zeche, gab Wechselgeld heraus und räumte die leeren Gläser weg.
    Tami balancierte mit hochrotem Kopf und genervtem Gesichtsausdruck Tabletts mit Getränken durch die enggedrängten Menschen und setzte, wenn jemand nicht gleich reagierte und sie vorbeiließ, auch einmal rüde die Ellenbogen ein. Als sie Clara entdeckte, schenkte sie ihr trotzdem ein freundliches Lächeln und verdrehte dann die Augen: »Was für Freaks heute Abend!«
    Clara nickte verzagt. Eigentlich konnte sie gleich wieder kehrtmachen. Mick würde keine fünf Minuten Zeit erübrigen können, selbst wenn er wollte. Trotzdem kämpfte sie sich weiter. Nur kurz hallo sagen.
    Mick sah sie erst, als sie fast neben ihm stand. »Hi, Clara! Was machst du denn heute hier?« Er deutete mit dem Kinn in den Nebenraum. »Lauter Verrückte da drinnen. Keltischer Punk nennt sich das. Magst ein Bier?«
    »Nein danke.« Clara musste schreien, um sich verständlich machen. »Ich wollte nur sagen, ich schlafe heute Nacht bei dir!«
    »Oh. Fein!« Mick lächelte. »Sehnsucht?«
    Clara zögerte, dann schüttelte sie den Kopf. »Kaputte Heizung.«

    Sie versuchte ein wenig mühsam zu lächeln und deutete nach draußen. »Ich muss gehen, das Taxi und Elise warten.«
    Mick nickte, gab ihr einen flüchtigen Kuss und war schon wieder bei seinen Gästen.
    »Bis später!« Clara konnte seine Antwort nicht verstehen, sah nur die Bewegung seiner Lippen und ein kurzes Winken. Sie nickte, lächelte und drehte sich um. Sie hätte ihn gerne umarmt, nur ganz kurz, um ihn zu spüren.
    Als sie wieder im Taxi saß, war sie sauer auf sich selbst. »Kaputte Heizung!«, murmelte sie wütend vor sich hin, während das Taxi losfuhr. Warum hatte sie nicht gesagt, dass sie ihn brauchte? Dass sie Angst hatte und nicht allein sein wollte? Doch dann schüttelte sie den Kopf. Es wäre der denkbar schlechteste Zeitpunkt gewesen. Er hatte viel zu tun, er hätte keine Zeit gehabt, ihr richtig zuzuhören.
    Schluss jetzt mit diesen Sentimentalitäten! Clara kramte aus ihrer Tasche ein Papiertaschentuch hervor und putzte sich energisch die Nase. Dann nahm sie ein zweites und wischte damit die verschmierte Scheibe des Taxis sauber. Vielleicht würde der Taxifahrer doch kein Hundehasser, wenn sie ihn ein bisschen unterstützte.
     
    In Micks Wohnung war es warm und sogar einigermaßen aufgeräumt. Zumindest, wenn man Micks Ansicht übers Aufräumen teilte. Aber nachdem Claras

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