Seelenglanz
gerne Luzifer nennen. Er war der Ansicht, der Name sei mit zu vielen negativen Assoziationen behaftet.
Shandraziel machte Anstalten, näher zu kommen, doch Luzifer bedeutete ihm, auf dem Garagendach zu bleiben. »Ich dachte mir, ich werfe mal einen Blick auf die Frau, von der du gesprochen hast.« Er zuckte die Schultern. »Ich will mir ein Bild von ihren Fähigkeiten machen.«
»Wozu? Sie kann nur sinnloses, unkontrolliertes Zeug.« Als ich das letzte Mal Kontakt zu Luzifer aufgenommen hatte, um ihm Bericht über meine Situation zu erstatten, hatte ich ihm auch von Amber erzählt und von den eigenartigen Fähigkeiten, die sie in Rachels Dunstkreis entwickelt hatte. Keine weltbewegenden Dinge, wie sie ein Nephilim oder gar ein Engel vollbringen konnte, sondern eher nutzloser Kleinkram, über den sie keine Kontrolle zu haben schien. Akashiel sprach von schwebenden Gegenständen, wenn sie aufgeregt war, und von zerbrochenem Geschirr. Ambers einzige sinnvolle Fähigkeit schien darin zu bestehen, dass sie anscheinend immun gegen die Manipulation ihres Geistes war. Zumindest war es Akashiel nicht gelungen, ihre Erinnerungen zu verändern, weshalb sie auch wusste, dass es sich bei ihm tatsächlich um einen waschechten Engel handelte.
Luzifer grinste dieses Grinsen, mit dem er die Frauen zum Dahinschmelzen brachte, in dem aber auch immer ein Hauch Gerissenheit mitschwang. »Ich habe das Gefühl, dass sie nicht sonderlich glücklich ist, und ich spiele mit dem Gedanken, ihr ein Angebot zu machen.«
Mir war natürlich klar, dass es dabei um ein Angebot für ihre Seele ging, was ich zum momentanen Zeitpunkt für keine gute Idee hielt.
»Die Engel vertrauen mir noch nicht«, gab ich zu bedenken. »Wenn ihr jetzt etwas zustößt, wird man mich als Ersten verdächtigen. Das könnte meine gesamte Mission gefährden.«
Luzifer dachte über meine Worte nach. Schließlich nickte er. »Du hast recht. Ich werde warten, bis du sicher im Sattel sitzt und dir das Himmelsgeflügel aus der Hand frisst.« Er neigte den Kopf und sah mich an. »Was mich zu deinen Fortschritten bringt. Warum hängst du immer noch hier auf der Erde herum? Du weißt doch, dass du diese Schutzengelscheiße loswerden musst.«
»Ich arbeite daran.« Ich konnte mir ein selbstzufriedenes Grinsen nicht verkneifen, als ich sagte: »Tatsächlich bin ich unserem Ziel letzte Nacht einen entscheidenden Schritt näher gekommen.« In knappen Worten berichtete ich von meiner Suspendierung und von meiner Überzeugung, dass Japhael auf Uriel einwirken würde, mich auf dem schnellsten Weg nach Oben zu schicken, damit er mich endlich loswurde.
Das Lächeln kehrte in Luzifers Züge zurück, doch es war jetzt weniger strahlend als noch vorhin. »Ich hoffe, dass du mit deiner Einschätzung recht behältst. Du bist jetzt schon seit über drei Monaten hier, ohne auch nur einen einzigen Schritt vorangekommen zu sein.«
Es erstaunte mich jedes Mal, dass Luzifer, der seit Jahrtausenden seinen Plan verfolgte, sich seinen – unseren – Platz im Himmel zurückzuerobern, immer wieder wegen ein paar lächerlicher Monate, die wie Staub an ihm vorüberflogen, die Geduld verlor. Andererseits führte er diesen Kampf nun schon so lange. War es da wirklich verwunderlich, dass sich jede weitere Verzögerung und jeder Rückschlag wie eine Ladung Sand im Getriebe anfühlten?
»Es ist an der Zeit, dass du Ergebnisse lieferst«, fuhr erfort. »Sieh zu, dass du vorankommst. Hier unten bist du für mich nutzlos.«
Nutzlos bedeutete in Luzifers Wortschatz immer auch entbehrlich.
»Glaube mir, ich tue wirklich alles, damit sie mich endlich abberufen.«
»Das weiß ich, mein Freund.« Natürlich wusste er das. Er hatte seine Informanten überall, sicher auch unter den Schutzengeln oder zumindest in deren unmittelbarer Umgebung. »Vielleicht solltest du deine Methoden noch einmal überdenken und es in Zukunft nicht mehr so übertreiben. Reiß dich zusammen!«, forderte er mich auf. »Werde zum Musterengel!«
Ich erkannte die Überlegung, die hinter seinen Worten steckte. Wenn ich anfing, mich mustergültig zu verhalten und derart gute Arbeit zu leisten, dass sie mir unendlich dankbar sein mussten, wäre ich in der Position, Forderungen zu stellen. Wenn man außer Acht ließ, dass das Zeit kosten würde, für die Luzifer nicht die nötige Geduld aufbrachte, und mindestens eine mittlere Katastrophe wie ein Erdbeben oder ein Vulkanausbruch nötig wären, um mich vor meinen geschätzten Kollegen
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