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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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schlampig verfassten Auftrag zu tun hatte, der mich zu einem derart übereilten Handeln gezwungen hatte. Ich konnte nichts beweisen, da war nur dieses Gefühl, etwas, was einem den Nacken emporkriecht, sich in den Verstand bohrt und dort festsetzt, ohne dass es eine Erklärung für seine Existenz gäbe. Offenbar wollte mich der Oberste Schutzengel ebenso dringend loswerden wie ich ihn und seine Truppe.
    Vermutlich hätte das meinen Stolz kränken sollen, doch das tat es nicht. Ich war sauer, dass ich seinetwegen unter den Bus geraten war, trotzdem würde ich einen Dreck tun und mich darüber aufregen, wenn jemand meine Pläne unwissentlich unterstützte. Die Liste meiner Verfehlungen war lang, doch nichts davon war so gravierend, dass sie mir die Flügel nehmen und mich erneut verstoßen könnten. Japhael würde auf Uriel einreden, und letztlich würde der Erzengel nachgeben und mich nach Oben abberufen. Damit war uns allen geholfen. Mir sicherlich am meisten.

2
    Zurück in meinem Apartment nahm ich eine ausgiebige Dusche und vertrieb damit die letzte Erinnerung an den Schmerz, ebenso wie das unangenehme Gefühl, das mich immer dann überkam, wenn ich an Japhael dachte. Danach ging ich ins Bett und schlief bis zum Mittag. Gleich nach dem Aufwachen kreisten meine Gedanken wieder um Japhael. Dass er mich loswerden wollte, war nicht weiter schlimm, im Laufe des Tages hatte ich mich jedoch zu fragen begonnen, wie weit er dafür gehen würde. So wie es aussah, hatte er meinen Auftrag verändert und damit das Leben einer Schutzperson gefährdet, um mich dranzukriegen. Was, wenn Uriel – was ich nicht hoffte – ihm befahl, mich weiterhin als Schutzengel einzusetzen? Würde er weitere Leben gefährden oder gleich versuchen mich umzubringen?
    Vermutlich wäre es gut, in Zukunft auf alles vorbereitet zu sein.
    Am frühen Nachmittag aß ich ein Sandwich, danach sah ich meine Post durch, die wie üblich aus Rechnungen und Werbung bestand, überflog die Zeitung und landete schließlich vor dem Fernseher auf der Couch und zappte mich gelangweilt durch das Programm.
    Angesichts der Tatsache, dass das womöglich meine letzten Stunden oder Tage waren, die ich auf Erden verbrachte, ehe ich nach Oben berufen wurde, war es ein ziemlich erbärmlicher Zeitvertreib. Ich sollte rausgehen, essen und trinken. Party machen. Allesamt Vergnügungen, die mir im Himmel verwehrt bleiben würden. Trotzdem ertappte ich mich dabei, dass ich keine Lust verspürte, die Couch zu verlassen. All die Sachen, mit denen ich meine letzte Zeit hier verbringen wollte, machten nur halb so viel Spaß, wenn ichdabei nicht gleichzeitig einen der Schutzengel, allen voran Akashiel, ärgern konnte.
    Ich schaltete den Fernseher aus, warf die Fernbedienung neben mich auf die Couch und stand auf. Mich zu betrinken war keine Option, das bedeutete aber noch lange nicht, dass ich den Rest des Abends hier herumsitzen musste. Eine Runde fliegen würde meine Stimmung sicher verbessern.
    Ich warf einen Blick aus dem Wohnzimmerfenster, dessen Ausblick durch die knapp zwei Meter entfernte Backsteinwand des Nebengebäudes begrenzt wurde, und stellte erfreut fest, dass es nicht mehr regnete. Ich versetze mich aufs Dach. Eine kühle Brise wehte mir um die Nase und weckte meine Lebensgeister. Das hier würde um Längen besser werden als jede Kneipe und jeder Abend vor dem Fernseher – auch wenn ich ein gewisses Bedauern verspürte, dass die gemütlichen Fernsehabende bald ebenso der Vergangenheit angehören würden wie mein Apartment, das ich trotz der Aussicht auf die Backsteinmauer und der zusammengewürfelten Möbel als Rückzugsraum zu schätzen gelernt hatte. Jetzt jedoch, als ich an die Dachkante herantrat, den Blick auf die drei- und vierstöckigen Wohnhäuser gerichtet, die sich die Straße entlangzogen, und den Wind spürte, der mir über die Haut und unter die Kleidung fuhr, wollte ich nur noch eines: fliegen.
    Meine Flügel waren das Einzige gewesen, was ich während der Jahrtausende als Gefallener wirklich vermisst hatte. Schmerzlich vermisst, denn die pochenden Stümpfe an meinen Schulterblättern und das Gefühl, nicht vollständig zu sein, hatten mich jeden einzelnen Tag an das erinnert, was ich verloren hatte. Früher oder später würde ich sie wieder verlieren, das war mir klar. Mein derzeitiger Auftrag barg einfach zu viele Risiken, vor denen ich unmöglich die Augen verschließen konnte. Und selbst wenn mich die Engel nichtals Spion enttarnten, mir meine

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