SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
in den Dörfern nahe dem Hochland.“ Nachdem Jason keine Antwort erhielt, drehte er sich um. Doch Ju war bereits verschwunden. „Höflich wie immer“, murmelte er.
Obwohl Jason diesem Akkadier zum ersten Mal begegnete, vermutete er, dass die Mehrzahl der Unsterblichen nicht gerade Stimmungskanonen waren, vor allem, wenn sie jeglichen Kontakt mit Menschen vermieden. Er hoffte nur, dass Roven niemals in dieses Verhalten abdriften würde.
Jason nippte an seiner Milch und durchblätterte unzählige Kriegsberichte, Schlachtpläne und Geschichtseinträge. Notizen über Notizen, oft handschriftlich festgehalten. In diesem System herrschte ein totales Chaos. Falls er irgendwann einmal Langeweile hätte, würde er sich daran machen, Ordnung reinzubringen. Falls …
Normalerweise wurden solche Tarykverstecke durch Zufall gefunden. Die Mistkerle verstanden es unterzutauchen, feige wie sie waren.
„Höhleneingang …“, las er abwesend vor, als er wieder einmal auf ein fast unleserliches gescanntes Blatt stieß. „Island? Verdammt!“
Anscheinend stammte es von einem Akkadier, der den Eingang zu einem Versteck im Hochland gefunden hatte. Natürlich war die Notiz in der Mitte zerrissen, sodass die genauen Koordinaten verloren gegangen waren. Wäre ja auch zu einfach gewesen. Einen Namen besaß der Informant ebenfalls nicht. Aber sie hatten eine Spur, endlich. Die Eintragung war vor einer Woche geschehen und Lennart wurde seit drei Tagen vermisst. In Island schien ja zur Zeit die Post abzugehen.
Jason betätigte die Druck-Taste und war froh, als er Ju noch in der Eingangshalle erwischte.
Der Tibeter betrachtete den Ausdruck. „Wer hat es veröffentlicht?“
„Weiß ich noch nicht, krieg ich aber raus!“, beteuerte Jason.
„Gib mir dann Bescheid!“
„Ja, okay.“
Toll gemacht, Jason! Was würden wir bloß ohne dich tun?! , lobte er sich selbst auf dem Weg zurück zur Kellertür und blieb stehen, als er dumpfe Schritte auf der Treppe vernahm. Roven trottete die Stufen hinab, war nur mit einer Jogginghose bekleidet. Seine Haut wirkte blasser als sonst und die Wangenknochen traten ungewöhnlich stark hervor. Aber die Wunde in seinem Bauch hatte sich bereits geschlossen und war nur noch als bronzefarbener Strich zu erkennen.
„Du bist immer noch geschwächt. Warum?“, fragte Ju, als müsste Roven bei ihm Rechenschaft ablegen.
Doch dieser reagierte nicht. Erst als er das Ende der Treppe erreichte, hob er seinen, wie Jason fand, eindeutig angepissten Blick und schaute zu Ju auf. Und er musste dabei auch nach oben blicken, denn der Tibeter war mindestens zehn Zentimeter größer als er. „Wie du willst“, setzte Ju fort. „Dann trainieren wir.“
Roven schnaufte und überlegte einen Moment, ob er dieser Lektion irgendwie entkommen konnte. Andererseits würde ihn ein Tête-à-tête mit Ju durchaus ablenken und diesen faden Geschmack im Mund vertreiben können. Ihn ließ das Gefühl nicht los, irgendetwas vergessen, falsch gemacht, vermasselt zu haben. Oder alles auf einmal. Und er vermutete, dass es mit Selene zu tun hatte. Vielleicht, weil er schon wieder von ihr geträumt hatte. In seinem Mund schmeckte es nach Fäulnis, was sicher nur die Nebenwirkung vom Gift war.
Die Rollläden fuhren für einen langen Tag hinunter und Roven konnte nur an die Nacht denken, in der er endlich wieder nach London musste.
In der Trainingshalle dehnte er seine Oberarme, während Ju den hellen Pullover auszog und zusammengefaltet auf eine der Bänke legte. Obwohl Roven den Tibeter bereits nackt gesehen hatte, erschrak er angesichts der vielen Narben, die Jus sehnigen Körper bedeckten. Akkadier behielten normalerweise keine Male, wenn sie verletzt wurden, aber es gab Ausnahmen für jede Regel, selbst die göttlichen. Soweit Roven wusste, hatte der Tibeter zu Lebzeiten nicht nur einen Teil seiner Kehle eingebüßt, sondern auch andere schmerzvolle Erfahrungen gemacht, und trug diese Narben seit jeher.
„Wann hast du das letzte Mal meditiert?“, riss Ju ihn aus seinen Gedanken.
„Das ist wohl ein Scherz“, spottete Roven. „Ich glaube kaum, dass ich Taryk mittels Meditation dazu bekomme, sich die Köpfe selbst einzuschlagen!“
Ju atmete tief ein und schloss die Augen. Plötzlich wurde Roven von einer Druckwelle drei Meter nach hinten gestoßen.
„Ein Akkadier muss mehr beherrschen als nur den eigenen Körper. Die wahre Stärke ruht in deinem Inneren, Dalan . Du solltest lernen, damit umzugehen. Vielleicht bliebe dir
Weitere Kostenlose Bücher