SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
Auserwählten auch mal kennenlernen.“
„Ja, das ist eine tolle Idee. Das machen wir.“ Noch während sie die Worte aussprach, fragte Selene sich, wie das möglich sein sollte. Julia war ein Mensch und müsste mit der üblichen Amnesie zu kämpfen haben, die ein Treffen mit Roven auslösen würde. Nein. Es war nicht möglich.
„Ich ruf dich bald wieder an, okay?“
„Ähm, ja mach das … Ich wünsch euch beiden bis dahin eine schöne Zeit zusammen. Genieße es! Das hast du verdient.“
„Ich hab dich lieb.“
„Ich dich auch, Süße. Mach‘s gut.“
„Bis dann.“
Selene legte auf. Das schwere Pochen kehrte zurück.
Jolina ließ das Handy in ihre Hosentasche gleiten und teleportierte sich zurück nach Enûma . Ihre Kleidung änderte sich selbstständig. Statt Jeans und Pullover trug sie nun eine blutrote Robe. Ihr Zopf löste sich auf und gab die wallende Mähne frei. Jolinas Haut begann wieder golden zu schimmern.
Die Zeit würde kommen, da sie Selene die Wahrheit sagen könnte. Doch vorerst musste sie lügen. Verrat! , schallte es in ihrer Brust. Trotz aller Unwahrheiten war die Freundschaft zu dieser Sterblichen echt gewesen. Sie liebte Selene wie eine Schwester und wünschte ihr all das Glück, das ihr zustand. Jolina hoffte so sehr, sie würde es verstehen.
Ihnen allen standen Prüfungen bevor, vor denen sich die Halbgöttin ängstigte. Sie fürchtete, dass Selene es nicht schaffen würde, dass Roven daran zu Grunde gehen könnte und vor allem, dass Jolina selbst das ihr auferlegte Schicksal nicht meistern würde.
Ein sternenklarer Nachthimmel bedeckte Rom. Die Außentemperatur lag bei zirka zehn Grad plus, nur eine laue Brise wärmte die Luft.
Roven hatte vor dem Kolosseum Gestalt angenommen. Obwohl er hier schon oft gestanden hatte, erweckte dieser Anblick doch immer wieder Ehrfurcht bei ihm. Das Bauwerk erinnerte Roven an Enûma . Ganz Rom glich dem Götterreich in vielen Details – von den Ruinen einmal abgesehen.
Der Akkadier griff nach seiner Brust, das Herz dröhnte schmerzhaft. Je weiter seine Teleportation ihn gebracht hatte, desto lauter und kraftvoller war das Hämmern geworden. Naham wütete im Inneren und der Körper reagierte mit Pein, weil Roven sich von seiner Gefährtin entfernt hatte. Es glich einer allzu starken Sehnsucht, die man nicht ignorieren konnte. Die einen immer wieder nach Hause, zu dem einen Herzen, geleiten würde, dem das eigene zugehörte.
Illian!
Roven musste sich auf seine Aufgabe konzentrieren. Wenn es ihm doch nur nicht so schwer fallen würde.
Er rief sich das Bild des Kriegers ins Gedächtnis. Die bernsteinfarbenen Augen erinnerten Roven immer an Jolina. Illians Gesichtszüge wirkten zart und freundlich. Niemals würde man ahnen, dass sich eine Bestie unter dieser Oberfläche verbarg. Im Kampf war er stets zurückhaltend und vorsichtig, ging keine Gefahr ein. Das mochte der Grund sein, weswegen Ju meinte, Illian wäre kein großer Kämpfer. Doch für Roven spielte es keine Rolle.
Der Akkadier drehte sich um, verschmolz mit der Nacht dieser ewigen Stadt und bewegte sich schattenhaft durch die Straßen fort. Das Seelenband seines Bruders kam näher. Unvergleichlich schön und rein summte es in die Ferne und führte sie zusammen.
Nach ein paar Minuten wurde Roven langsamer und kam in einer dunklen Gasse zum Stehen. Illians Band flimmerte um ihn herum, die Seelen unverkennbar. Sein Bruder musste ihn wahrgenommen haben.
Roven schlenderte vorwärts und schaute sich um. In den kleinen Fenstern brannte warmes Licht. Italienische Musik drang aus den Häusern.
„Diese Gegend ist gefährlich, blonde Schönheit. So ein zartes Wesen wie du sollte sich hier nicht allein herumtreiben.“
Der Akkadier sah nach oben. Sein Bruder hockte am Sims der Dächer und grinste mit weißblitzenden Zähnen zu ihm hinunter. Illian gehörte nach Rom wie die Säulen ins Kolosseum.
Roven teleportierte sich hinauf.
Sein Bruder hatte sich kaum verändert. Die Mimik wirkte elfengleich, das mittelblonde lange Haar war am Hinterkopf abgeteilt und zu einem Zopf gebunden.
„Mann, siehst du scheiße aus“, lachte Roven.
„Das Kompliment gebe ich gern zurück, Dalan .“
Sie gaben sich zur Begrüßung eine grobe Umarmung.
„Was zum Henker treibst du in Rom? Und warum zum Teufel siehst du so verdammt gut aus?“ Illian musterte ihn von oben bis unten und wieder zurück. Die zusammengezogenen Augenbrauen klarten auf, das Lächeln wich einer offenen Kinnlade. „Das glaub ich
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