SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
war und blieb ein trauriger.
Wenige Minuten später nahm Jafar vor dem Tisch Gestalt an. Er hielt einen hochgewachsenen, dunkelhäutigen Südamerikaner an der Hand. Selene schmunzelte innerlich. Das Bild war einfach zu bizarr. Zwei Männer, die gefährlicher nicht wirken konnten und Händchen hielten, als wären sie ein Paar.
Der Neuankömmling hatte schwarzes Haar, das sich als Irokesenschnitt über seinen Kopf zog und im Nacken länger wurde. Seine dunkelbraunen Augen schauten finster in die Runde.
„Seid gegrüßt, Akkadier. Es ist mir eine Ehre, erneut an eurer Seite zu kämpfen.“ Die Worte rollten weich, in einem spanischen Akzent, von seiner Zunge.
Sie begrüßten einander. Roven stellte ihm Selene vor. Jedes Mal schien das Skepsis bei seinen Brüdern hervorzurufen. Doch schließlich lächelte ihr auch Alejandro zu.
Die Akkadier wirkten allesamt angespannt. Als würde es nicht oft vorkommen, dass sie beieinandersaßen und einen Angriff planten. Vielleicht sahen sich einige das erste Mal nach so vielen Jahren wieder, hatten damals Seite an Seite gekämpft, ohne den Namen des anderen zu wissen. Gegenseitiges Vertrauen stellte sich Selene schwierig vor, wenn man den anderen kaum kannte. Oder aber es war die Blutsverwandtschaft, die sie aneinander glauben ließ.
Ju erhob sich und blickte in die Runde.
„Diriri. Meine Brüder.“
Seine Stimme war schwer und heiser und Selene erahnte, in welche Gefahr sich alle mit dieser Reise begaben. Nur um die Leben zweier Verbündeter zu retten, setzten sie ihr eigenes aufs Spiel. Auch Roven würde sein Leben riskieren. Und es machte Selene wütend, dass er dazu verpflichtet war.
„Der Anlass unserer Zusammenkunft lastet auf uns allen. Lennart ist seit Tagen in Gefangenschaft. Danica wahrscheinlich seit … mehr als einem Jahrhundert. Dass sie noch lebt, ist ein Wunder, für dass wir dankbar sein sollten.“
Selene hatte nicht erwartet, dass Ju so viel Gefühl in seine Worte legte. Er litt. Da war sie sicher.
„Wir wissen, dass sie sich im isländischen Hochland aufhalten. Aber wo sich der Eingang zum Versteck befindet, konnten wir bislang nicht in Erfahrung bringen.“ Der Tibeter verschränkte die Arme vor der Brust und sah vor sich ins Leere. „Die Suche beginnt in der Nacht. Beide Akkadier aus der Gefangenschaft Assoras zu befreien, wird schwierig. Ohne Zweifel. Doch ein Angriff zur Tageszeit kommt nicht in Frage. Jeder muss bei Verstand sein und darf das Ziel nicht aus den Augen verlieren.“
Ein einstimmiges Nicken ging durch den Raum. Selene bekam Gänsehaut. Wenn sie Jus Worte richtig deutete, besagten sie, dass die Akkadier nicht in Gestalt der Bestien angreifen würden, weil eine geplante Rettungsaktion sonst in einem sinnlosen Gemetzel enden würde. Selene erinnerte sich an Rovens Bestie. Es passte nicht zusammen. Wie sollte ein Tier, das so schön und anmutend wirkte, derart bösartig sein? Sie weigerte sich, das zu glauben.
Ju fuhr fort. „Da niemand von uns je zuvor in Island gewesen ist, werden wir ein Flugzeug benötigen. Wir brauchen zirka zwei Stunden bis nach Reykjavik. Dann können wir unsere Suche beginnen. Alles Weitere müssen wir vor Ort entscheiden. Mehr Informationen habe ich nicht. Hat jemand Fragen?“
„Verdammt“, sagte Illian. „Wir müssen nach Island und ich hab meine warmen Unterhosen vergessen.“
Die Ader an Jus Hals pulsierte. Er sagte nichts. Er lachte nicht. Für ihn blieb alles todernst.
„Da also niemand etwas Konstruktives beitragen möchte …“ Die Stimme des Tibeters schallte eiserner denn je. „Ruht euch aus! Morgen Abend geht es los.“
Roven stand auf. „Fühlt euch bitte wie zu Hause. Im Erdgeschoss findet ihr die Küche. Im Kühlschrank gibt es alles, was ihr braucht. Außerdem haben wir einen Trainingsraum und eine Bibliothek. Ihr könnt die Computer hier im Keller nutzen. Jason wird euch gern weiterhelfen, wenn er kann. Wenn ihr sonst irgendetwas braucht, lasst es Adam wissen. Er steht ebenfalls Tag und Nacht zur Verfügung.“
Der große Peruaner erhob sich.
„Danke für deine Gastfreundschaft, Dalan .“ Seine dunkelbraunen Augen ruhten mit Achtung auf Roven und auch Selene schenkte er eine kurze Verneigung. „Ich kehre vor Tageseinbruch zurück.“ Damit verschwand er, ein dunkles Glitzern blieb.
Kurz darauf teleportierte sich auch Jafar fort. Ju verließ den Raum, Diriri folgte ihm wie selbstverständlich. Als Akkadia unter so vielen Männern zu leben stellte Selene sich schwer vor.
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