SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
von seiner Gefährtin.
Roven hatte sich absichtlich in den hinteren Bereich des Flugzeugs gesetzt. Die Sessel sollten Komfort bieten, übten auf seine Unzufriedenheit allerdings keine Wirkung aus.
Nachdem der Jet die erforderliche Flughöhe erreicht hatte, kam Illian nach hinten geschlendert und setzte sich ihm gegenüber. Er holte eine dreiläufige Dessert Eagle aus dem Halfter der linken Brust und spielte damit herum.
„Diese Waffe habe ich an dir noch nie gesehen“, stellte Roven fest.
„Mhm, ist mein neues Baby. Ich bin weg von Stichwaffen.“ Er ließ die Eagle auf seinem Mittelfinger rotieren und roch am Lauf der Waffe. „Nicht die Feuerkraft ist das Entscheidende, sondern die Munition. Dumdumgeschosse mit Bleikern und einem Teilmantel aus Stahl zerfetzen alles, was ihnen in die Quere kommt. Wenn drei davon gleichzeitig im Hals eines Taryk einschlagen, ist der seinen Kopf schneller los, als du dein Eisen überhaupt in Position gebracht hast.“ Illian grinste siegessicher.
„Lass es auf einen Versuch ankommen, kleiner Bruder“, erwiderte Roven.
Selene geisterte fortwährend durch seinen Kopf und er fragte sich, ob es je leichter werden würde.
„Kennst du andere Akkadier, die ihre Gefährtin gefunden haben?“
Illian sah von seiner Waffe auf und zog die Brauen nach oben. „Nein … Du bist der Erste, dem ich begegne“, antwortete er.
Die übrigen zwei Stunden des Fluges verbrachten sie schweigend. Roven wünschte sich, die Zeit vorwärts drehen zu können. Er hasste es zu warten.
Sie landeten auf einem Privatplatz in Reykjavik und fuhren weiter Richtung Osten.
Auf Island glänzte die Nacht sternenklar. Nordlichter funkelten wellenförmig in grün, blau und lila am Himmel. Roven wünschte sich, Selene wäre hier und könnte das sehen.
„Ab sofort geht es querfeldein“, gab Ju über das Headset durch.
Das Straßennetz wurde schwächer, je näher sie dem Hochland kamen. Schneebedeckte Berge zeigten sich am Horizont. Wenige Minuten später fuhren die Landrover auf einem Feldweg weiter.
Im Winter schien die Sonne hier nur etwa vier Stunden. Die Nächte dauerten lang und ermöglichten es den Akkadiern, ausgiebig zu suchen. Ebenso wie die zwei Stunden Zeitverschiebung.
Roven schaltete das Radio ab und genoss die Stille. Illian und Alejandro saßen ebenfalls in seinem Fahrzeug. Ein solcher Offroader hätte zwar Platz für sechs Akkadier, aber die Achsen würden dem Gewicht nicht standhalten.
Jeder von ihnen schien in die Ferne zu lauschen. Versuchte herauszufinden, ob er die anderen – Danica und Lennart – irgendwo wahrnehmen konnte, ob sie auf dem richtigen Weg waren. Roven vertraute nicht auf seine Instinkte. Je mehr er sich von Selene entfernt hatte, desto stärker war der Wille der Bestie in den Vordergrund gerückt. Er hatte Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren.
Die Weiten Islands waren unbemerkt an ihm vorbeigezogen. Nur das Nordlicht waberte an Ort und Stelle, als ob es ihnen den Weg weisen wollte. Mittlerweile wurden die Straßen holpriger. Doch der Landrover hatte keine Mühe, die Steigungen zu überwinden.
Noch immer schlug niemand Alarm. Auch wenn sich das Tarykversteck tief unter der Erde befand, sollte es jemand spüren, wenn sie ihrem Ziel näher kamen. Selbst Lennart und Danica könnten es fühlen, wenn sie bei Bewusstsein waren. Er hoffte es. Zu wissen, dass Verstärkung unterwegs war, konnte einem unheimlich Kraft geben.
Rovens Ungeduld nahm überhand und schien sich in Wut zu wandeln. Er musste sich unter Kontrolle bekommen. Zorn packte ihn. Seine Fänge schlugen von innen gegen die Lippen.
Was zum Teufel war nur mit ihm los?
„Geht’s nur mir so oder liegt hier schlechte Stimmung in der Luft?“, fragte Illian.
„Eine Königin“, presste Alejandro zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Der Göttin sei Dank! Es liegt nicht an mir.
„Jafar wird unruhig“, meldete sich der Tibeter im Fahrzeug vor ihnen. „Er scheint Danica zu spüren. Wir bleiben auf Kurs.“
„Wie sieht die Strecke aus?“, hakte Roven nach.
„Ungemütlich.“
Selene schrak hoch und griff sich an die Kehle, schweißgebadet und außer Atem. Aber ihrem Körper schien es soweit gut zu gehen. Nur der brodelnde Herzschlag verdeutlichte, dass etwas fehlte.
Sie musste schlecht geträumt haben. Kälte hatte ihren Hals gestreift, an mehr konnte sie sich nicht erinnern. Es musste die Angst um Roven sein, die ihr zusetzte. Und das Getrenntsein. Selene blinzelte ein paar Mal und versuchte,
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