Seelengrab (German Edition)
Kategorie Kleinkrimineller“, stellte Hirschfeld fest und nahm den Mann näher in Augenschein:
Berg hatte kurze braune Haare, die er zurückgegelt hatte. Über einem grauen Kapuzensweatshirt trug er eine Jeansjacke, dazu eine tarnfarbene Cargohose und Turnschuhe, bei denen die Schnürsenkel fehlten. Er saß breitbeinig auf seinem Stuhl und hatte seine geballte rechte Hand, die er mit der linken umschloss, vor sich auf den Tisch gelegt. Berg starrte regungslos geradeaus, nur seine Kiefer mahlten.
„Hat er sich schon in irgendeiner Form geäußert?“
„Nein, bisher hat er keinen Ton von sich gegeben.“
„Willst du damit sagen, dass er noch nicht einmal nach einem Anwalt verlangt hat?“, fragte Hirschfeld ungläubig.
„Ja, so ist es. Dabei haben wir ihn mehrfach über seine Rechte aufgeklärt.“
„Ich an seiner Stelle würde auch jede Aussage verweigern“, meinte Kirchhoff trocken.
„Vielleicht dringst du zu ihm durch, Lutz“, meinte Schröder.
„Dann versuch ich mal mein Glück“, nickte Hirschfeld und wandte sich zur Tür.
Auf dem Weg in den Verhörraum überlegte er, wie er am besten vorgehen sollte. Heiko Berg hatte sich vor nicht einmal einer Dreiviertelstunde eine halsbrecherische Verfolgungsjagd mit einem Streifenwagen geleistet. Und dies in einem Fahrzeug, nach dem in einem Mordfall gefahndet wurde. Die Karten standen also äußerst schlecht für den Mann. Als Hirschfeld den Raum betrat, blickte Berg nicht einmal auf.
„Ich bin Kriminalhauptkommissar Lutz Hirschfeld“, stellte er sich vor und nahm Berg gegenüber am Tisch Platz.
Berg verzog keine Miene, vermied jedoch jeglichen Augenkontakt mit Hirschfeld.
„Wissen Sie, warum Sie hier sind, Herr Berg?“, erkundigte sich Hirschfeld.
Berg schwieg. Hirschfeld ersparte sich die Aufzählung der Delikte, die sich der Mann allein in den vergangenen Stunden hatte zuschulden kommen lassen, und kam gleich zur Sache:
„Das Fahrzeug, in dem Sie fliehen wollten, gehört einer jungen Frau, die vor ein paar Tagen ermordet worden ist.“
Der Satz schien in großen Lettern über ihren Köpfen zu schweben. Hirschfeld zog das Bild von Susanne Bach aus der Jacketttasche, das sie auch bei der Zeugenbefragung verwendet hatten, und schob es über den Tisch. Berg fixierte weiterhin einen Punkt hinter Hirschfeld an der Wand. Nur eine Pulsader, die auf seiner linken Schläfe pochte, verriet, dass seine Anspannung stieg.
„Das scheint Sie nicht sonderlich zu berühren“, stellte Hirschfeld fest, stand auf und ging in Richtung Tür.
Das Foto ließ er auf dem Tisch liegen, um Berg genügend Zeit zu lassen, Susannes Gesicht in Ruhe zu betrachten.
„Wenn Sie nicht mit uns sprechen wollen, ist das Ihre Entscheidung, Herr Berg. Ich hätte gerne Ihre Version der Geschichte gehört, aber im Grunde genommen brauchen wir Ihre Aussage nicht einmal“, fuhr er fort und wusste, dass Kirchhoff in diesem Moment auf der anderen Seite des Spiegelfensters zusammenzuckte. „Bevor wir Sie diese Nacht in eine Einzelzelle stecken, werden wir Sie gründlich durchsuchen. Und mit gründlich meine ich auch gründlich. Das kann sehr unangenehm werden, wenn Sie verstehen.“
Hirschfeld hatte die Hand bereits an der Türklinke.
„Dann schicke ich Ihnen einen Arzt, der Ihnen sowohl eine Blut- als auch eine Speichelprobe entnehmen wird“, führte Hirschfeld seinen Gedanken aus und öffnete die Tür. „Wir haben genügend DNA-Material, das wir mit Ihrer Probe vergleichen können.“
„Warten Sie!“, hielt Berg ihn unvermittelt zurück. Seine Stimme klang heiser.
Hirschfeld schloss die Tür wieder und kehrte seelenruhig zum Tisch zurück. Als er wieder vor ihm saß, schaute Berg ihm direkt in die Augen:
„Ich rede. Aber könnte ich vorher eine Zigarette haben?“
47
Weiß nicht, wie lang ich schon hier bin. Kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Bin ständig müde, obwohl ich die meiste Zeit schlafe. Dann träum ich von kleinen Hunden und Hühnern ohne Kopf. Wenn ich mal wach bin, bekomm ich gleich wieder eine Spritze. Danach ist mir immer alles egal. Lieg einfach da und starre vor mich hin. Schaff es grad mal, aus dem Fenster zu sehen. Eine Zeit lang war es immer grau draußen. Jetzt wird es heller. Trotzdem ist mir kalt. Mein Körper ist ganz taub vom Nichtstun. Würde am liebsten weg von hier und mit den anderen spielen. Denn niemand besucht mich hier. Bin ganz allein. Nur der Mann am Kreuz ist bei mir. Ich glaub, er mag mich. Manchmal winkt er mir zu. Und passt
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