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Seelenhüter

Seelenhüter

Titel: Seelenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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dunkle, riesige Augen, und er klang wie ein disharmonischer Chor kratzender Stimmen. »Wir sind viele. Lass uns rein, oder wir werden den Kindern etwas tun.«
    Zuerst erschrak Calder, doch dann durchfuhr ihn glühender Zorn. »Lügner«, sagte er. »Ihr habt nicht die Macht.«
    Rasputin fiel auf die Knie, glitt für einen Moment heraus aus dem schwarzen Nebel, der ihn umgab. Nun hatte er wieder seine eigenen Augen, zumindest für den Moment.
    »Grigori«, flüsterte Calder. »Du warst Alexis’ Retter.«
    Rasputins Stimme klang leise und angespannt. »Sag ihnen nicht, dass ich machtlos bin, sonst gehen sie auf mich los.«
    »Du bist nicht machtlos«, sagte Calder. »Sie gehorchen dir.«
    »Sie sind wütend«, flüsterte Rasputin.
    »Weil du in ihre Welt eingedrungen bist?«
    Der Russe lächelte. »Mich mögen sie. Ich habe ihnen Leidenschaft gebracht. Mit jedem Tag, den du auf Erden wandelst, wurden wir mehr.« Ein unsichtbares Gewicht schien ihn zu Boden zu drücken. »Doch nach dem, was du getan hast, fürchten sie, dass sich alles ändert.«
    »Was ich getan habe?«, fragte Calder überrascht.
    Rasputins Augen glühten, doch sein Gesicht war schmerzverzerrt. »Du hast ihnen ein Kind gestohlen.«
    »Pincher?«
    Ein dunkler, stinkender Wind wehte über den Aschehaufen, Ana und Alexis traten rasch zurück. Blätter, Zweige, Staub und Gras wirbelten in kleinen Hosen um die nahen Bäume, die Asche erhob sich in die Luft.
    »Ich habe einer verlorenen Seele zurück zur Passage geholfen«, sagte Calder. »War das nicht mein Auftrag?«
    »Er war der Einzige, der uns seit meiner Ankunft genommen wurde«, antwortete Rasputin.
    Calder bedauerte, dass der Russe leiden musste, doch er war vor allem erleichtert, Pincher in Sicherheit zu wissen. Er versuchte, Rasputin zu umarmen, als dieser in die schwarze Wolke aufstieg, doch seine Finger glitten durch ihn hindurch. »Wirf die ab, die an dir hängen«, sagte Calder. »Ich werde dich ihnen genauso wegnehmen.«
    Rasputin beugte sich vor, die Hände auf den Knien, seine Augen flackerten zwischen ihrem früheren Leuchten und den leeren Tiefen der dämonischen Besessenheit. »Zu viele«, flüsterte er. »Sie gehorchen mir nicht.«
    Schwarzer Nebel schwebte über die Wiese, brachte kranke Gerüche, Angst und Trauer mit sich sowie das Sirren von Insekten, wo gar keine waren. Calder spürte erneut heiße Wut. »Wehr dich«, befahl er. »Was glauben sie, wer sie sind?
Du
bist Rasputin!«
    Der Wind wurde zum Sturm, der durch die Wipfel fegte, die Luft stach Calders Gesicht mit unsichtbaren Nadeln.
    Rasputins Stimme donnerte durch das Rauschen des Windes. »Genug!« Er richtete sich zu voller Größe auf und stampfte mit dem Fuß auf, so dass die Erde unter ihm in drei Meter lange Spalten aufbrach. Der Wind nahm an Heftigkeit noch zu und riss einen Ast von einer nahe stehenden Esche ab. »Ergebt euch«, befahl Rasputin dem Sturm. »Ich trage euch. Und ich befehle euch.« Eine Schwärze erstreckte sich aus Rasputin wie eine Schlange und schlug nach Calder aus, als ob sie ihn ins Gesicht schlagen wolle. Das geisterhafte Tentakel glitt durch ihn hindurch, dennoch wurde Calder von etwas Unsichtbarem und Machtvollem geschlagen. Er wurde zu Boden geworfen, und bevor er sich wieder aufrappeln konnte, stand Ana zwischen ihm und Rasputin.
    Sie wusste nicht, wen oder was sie ansehen sollte, doch sie schrie in die Luft: »Geh zurück in die Hölle!«
    Trümmer und Asche fielen zu Boden, als der Wind an Kraft verlor. Doch als Calder aufgestanden war, fühlte er, wie der Sturm erneut seine Kräfte sammelte, wie wenn das Wasser sich vom Strand zurückzieht, um eine riesige Welle zu bilden. Schatten trieben in der Luft, nicht nur um Rasputin herum, sondern auch durch ihn hindurch.
    »Ich habe die Macht«, rief der Russe. »Ihr werdet gehen, wohin ich euch befehle.« Calder erwartete, dass seine Augen wieder schwarz und geisterhaft waren, doch er blinzelte nur vor Schmerz. »Sie werden mir folgen«, flüsterte Rasputin.
    »Aber du musst mit mir zurück auf die Passage kommen«, sagte Calder.
    »Nein«, erwiderte Rasputin. »Ich bin unrein.« Er lächelte traurig, und als sich der Sturm der Schatten mit einem Brüllen auf sie warf, breitete er die Arme aus, umarmte den Wind und war verschwunden. Zweige und Blätter fielen zu Boden, Stille legte sich über die Wiese.
    Calder berührte seine Wange und verspürte überrascht das Brennen der Wunde. Allerdings war nicht Rasputins Wange verletzt, sondern sein

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