Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenhüter

Seelenhüter

Titel: Seelenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
Vom Netzwerk:
Die drei zuckten vor ihm zurück, als sei er eine Kobra.
    »Vater Grigori«, sagte Felix. »Geht es Euch gut?«
    »Wir haben einen Arzt gerufen«, fügte Dimitri hinzu.
    Der Fahrer lächelte gequält und zog sich aus dem Gewölbe zurück. Die anderen beiden behielten blass und nervös ihren Abstand bei.
    »Ihr habt versucht, mich umzubringen«, sagte Calder. Er erinnerte sich, wie verwundert Rasputin gewesen war, dass man ihn nicht getötet hatte.
    Felix und Dimitri standen neben dem Tisch mit dem Kreuz, außerhalb seiner Reichweite.
    Calders Hände waren klebrig, doch das Gift stellte keine Gefahr für ihn dar.
Kein Wunder, dass sie fassungslos sind,
dachte er.
Ein Sterblicher hätte das nicht überlebt.
    »Die Zarin ist gar nicht hier, nicht wahr?«, fragte er, während er sich aufsetzte und abklopfte. »Und ihr wolltet meinen Tod.« Er stand auf, nicht nur unverletzt, sondern stark und aufgebracht. »Wer seid ihr?«, fragte er.
    »Wir sind Cousins des Zaren«, antwortete Dimitri, als ob ihn das beeindrucken sollte. »Wir sind Prinzen, und Ihr seid ein Bauer.«
    Cousins? Calder war schockiert – war Rasputin so verhasst, dass Verwandte von Nikolaus sich seiner entledigen wollten, obwohl er ein Günstling der Zarin war?
    Der Fahrer kehrte in das Gewölbe zurück, eine Pistole auf Calders Brust gerichtet. Ein Schuss peitschte durch den Raum, und die beiden jungen Männer sprangen zurück, wobei Felix den Wein über die verbliebenen Kuchen schüttete.
    Calder verspürte einen scharfen Schmerz in der Brust, der jedoch sofort wieder verschwand. Er sah an sich hinunter und bemerkte ein Loch in Rasputins Hemd, doch keine Wunde in der Brust und auch kein Blut. Nur eine kleine Brandspur. Federn sanken zu Boden, wo die Kugel, nachdem sie seinen Körper durchschlagen hatte, ein Sofakissen getroffen hatte. Er rieb sich das Schießpulver von der Haut und blickte den Fahrer mit gerunzelter Stirn an.
    »Ich denke, ich werde jetzt gehen«, sagte er, wandte seinen Mördern den Rücken zu und nahm seinen Mantel.
    Zwei weitere Schüsse wurden abgefeuert. Calder wurde gegen die Wand geschleudert und stürzte. Orientierungslos blieb er liegen, mit geschlossenen Augen, und überlegte fieberhaft, was er tun könnte. Er lag da wie ein Stein und ließ zu, dass sie ihn mit ihren Stiefeln anstießen.
    »Genug Gift, um dreißig Männer zu töten, und es sind drei Kugeln nötig, um ihn niederzuschießen?«, fragte Felix.
    »Holt den Teppich und ein Seil.«
    Calder konnte hören, wie sie auf der anderen Seite des Raumes Möbel verrückten, Schranktüren öffneten und auf knarzende Bodendielen traten. Vorsichtig stand er auf, kroch durch den Bogengang in die Diele und schlüpfte durch die Tür hinaus. Er fand sich in dem kleinen, verlassenen Hof wieder, wo der Wagen immer noch wartete. So leise wie möglich schlich er auf das Tor zu, das zur Straße führte. Es war unbewacht, daher hoffte er, dass es auch unverschlossen war. Doch bevor er es erreichte, ertönte ein weiterer Schuss. Ein scharfer Schmerz durchzuckte sein rechtes Bein, und er geriet ins Stolpern. Er zögerte und überlegte, wie sehr er sich gegen die drei zur Wehr setzen könnte, doch er wollte weder ihnen noch sonst jemandem zeigen, dass er unsterblich war. Calder entschied sich deshalb dafür, ihnen nachzugeben. Er machte einen weiteren Schritt auf das Tor zu, und als er den nächsten Schuss in seinem Rücken spürte, ließ er sich fallen und blieb reglos liegen.

11.
    S echs gestiefelte Füße stapften durch den Schnee, zwei weitere Schüsse wurde in Calders Nacken und Kopf abgegeben, und zu seiner Erniedrigung schlug ihn einer der jungen Männer obendrein mit etwas, das sich wie eine schwere Kette anhörte. Die Erinnerung an die Schläge aus der Kindheit kehrte mit Übelkeit erregender Klarheit zurück, und die Verwirrung und die Trauer darüber überwältigten ihn. Als er älter wurde, hatte er gelernt, sich nicht mehr zu fürchten, denn die Pein verging immer. Zwar erschütterte ihn bei jedem Schlag ein heftiger Schmerz, doch er verhielt sich ruhig und schrie nicht auf.
    Schlaff lag Calder da, die Augen geschlossen, bis er ein Handgemenge hörte und flüsternde Stimmen. Er versuchte, das Gesagte zu verstehen, doch es war zu leise. Er dachte an Rasputins Worte, dass er einen Lehrling überzeugen musste, mit ihm zu kommen, um die Passage wieder betreten zu können. Er konnte nicht mutwillig irgendeinen freiwilligen Sterblichen auswählen, den er auf der Straße oder in einer

Weitere Kostenlose Bücher