Seelenhüter
der Schlüssel die Macht besitzt, sondern der Seelenhüter und der Lehrling?
Er hielt inne, streckte den Hotelschlüssel aus und flüsterte die Formel: »Hinter dieser Tür wartet der Himmel.«
Ana wartete gespannt. Weder goldenes Licht noch ein strahlender Bogengang erschienen.
»Hier drüben«, rief Alexis, als ob Calder senil wäre.
Auch wenn der Seelenhüter immer noch in dem gestohlenen Körper festsaß, klammerte er sich an eine verzweifelte Hoffnung, als er die Tür mit der Nummer siebzehn öffnete, doch dahinter lag ein kleiner, schäbiger Raum mit einem Bett und einem Faltbett.
Kaum hatten sie die Tür hinter sich geschlossen, beschuldigte Alexis Calder: »Wir hätten nicht den weiten Weg nach Amerika auf uns nehmen müssen, wenn du uns erklärt hättest, wie das alles funktioniert.« Sein Gesicht rötete sich. »Du hast uns nicht gefragt, ob wir Begleiter werden wollen. Du hast uns hinters Licht geführt.«
»Alexis«, sagte Ana, »du hast mir selbst erzählt, dass er gefangen gesetzt wurde, bevor er uns das Geheimnis erklären konnte. Er wollte nicht, dass es so kommt.«
»Das war schließlich nicht das erste Mal, dass er mich reingelegt hat«, fuhr Alexis wütend fort. »Als ich acht Jahre alt war und sterben wollte, da hast du mir nicht angeboten, ein Begleiter zu werden, nicht wahr?«
Calders Wangen brannten, als hätte ihn jemand ins Gesicht geschlagen.
»Jetzt bin ich dieses Wesen, in das du mich verwandelt hast. Ich werde nicht einmal vierzehn Jahre alt. Ich werde nie weiterwachsen.« Er riss das Hemd an seiner Kehle auf, als ob er keine Luft bekäme. »Ich kann hier drin nicht atmen.« Er stürzte zum Fenster. Die kleinen und schmutzigen Scheiben sahen aus wie Milchglas. »Sie haben hier auch die Fenster übermalt.« Damit rannte er zur Tür, riss sie weit auf und lief auf den Korridor.
»Lass mich nicht allein!« Ana wollte ihm folgen.
Doch Calder hielt sie fest und sagte: »Bleib hier. Ich werde ihn zurückbringen.«
* * *
Calder war nur drei Sekunden nach Alexis aus dem Zimmer gerannt, und schon hatte er den Jungen verloren. Er blickte die Straße entlang und entdeckte ihn glücklicherweise auf der anderen Seite vor einem hellerleuchteten Bogengang. Wenn alle Glühbirnen funktioniert hätten, hätte auf dem großen Schild darüber PARADISE gestanden. Instinktiv wollte Calder den Jungen davon abhalten, den Torbogen zu betreten, auch wenn er sich über den Grund nicht im Klaren war.
Als er Alexis folgte, entdeckte er einen langen, schmalen Raum, der von Spielzeug gesäumt war – kleine Metallpferde, die auf einer Miniaturrennbahn liefen, ein Schießstand, auf dem Gewehre auf schwenkbare Halterungen montiert waren und kleine Kügelchen auf flache Holztiere schossen, die aus der gemalten Landschaft sprangen, sowie kleine Eisenfigürchen, die, wenn man eine Münze einwarf, ein mechanisches Kunststück vorführten und die Münze in ein Drachenmaul oder in einen Wunschbrunnen warfen. Alexis verlangsamte staunend seinen Schritt, Calder dicht hinter ihm. Jedes Teil gab sein ureigenes Pfeifen, Rattern oder Summen von sich.
»Ana sorgt sich«, sagte Calder. »Wir sollten lieber zurückgehen.«
»Dann geh doch.« Alexis’ Wut war verraucht. Er war blass und ruhig. »Man muss mir nicht ständig hinterherlaufen, weißt du. Ich bin kein Schwächling mehr. Und hier will mich auch keiner töten.«
Calder hatte keine Kraft für eine Diskussion. »Was willst du tun?«
Alexis zuckte mit den Schultern. »Ich will etwas sehen, ich will irgendwo hingehen, wenn mir danach ist.« Dann lächelte er. »Ich möchte ein paar von diesen Münzen. Haben wir solche?«
Calder fand ein Fünfundzwanzig-Cent-Stück in seiner Hosentasche, und die Frau in der kleinen Bude neben der Tür wechselte sie in Pennys um. Er gab die Münzen dem Jungen, doch der nahm nur die Hälfte davon.
»Du musst auch spielen«, verlangte er.
Alexis ging den Gang mit den blinkenden Lichtern und klingenden Glocken entlang, und Calder folgte ihm. Ein halbes Dutzend Kinder stand an den Spielautomaten, ebenso viele Erwachsene warteten in der Nähe und aßen Eis aus gezuckerten Hörnchen. Alles wirkte ruhig und sicher genug, so dass sich Calder im Hintergrund hielt.
Er zuckte vor Schreck zusammen, als ein augenscheinlich normales Klavier plötzlich von allein zu spielen anfing. Die anderen Menschen blieben ungerührt. Da entdeckte Calder den Münzschlitz an der Seite des Instruments und erkannte, dass es sich um ein magisches Piano
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