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Seelenhüter

Seelenhüter

Titel: Seelenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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kniff die Augen zusammen, als sie Ana erblickte. Sie trug nur ein dünnes Nachthemd, und die verschmierte Schminke um ihre Augen ließ sie wie einen Kaminkehrer aussehen. Calder hätte Ilja am liebsten geschlagen.
    »Wer ist das?«, fragte Ana.
    »Was ist hier los?«, fragte die Frau auf Englisch.
    Calder wollte Ana so schnell wie möglich von diesem Mann wegbringen, bevor er sie noch mehr verletzte.
    »Ilja, hast du den Schlüssel?«
    »Und du«, der Russe zeigte verängstigt auf Calder, »bist doch auch erschossen worden.«
    »Wir werden dir nichts tun«, sagte der Seelenhüter. »Wir brauchen nur den Schlüssel.« Er warf einen Blick auf Iljas nackten Hals.
    Das Zimmer erschien klein und stickig.
Wir sind um die halbe Welt gereist. Wo ist der Schlüssel?
    Das Nachthemd der Frau gab eine nackte Schulter frei.
    »Wer ist sie?«, verlangte Ana aufgebracht zu wissen.
    »Ich habe euren Schlüssel nicht«, antwortete Ilja.
    Ana starrte unverwandt auf den Hals der Frau und die Kette, die sie trug, auch wenn sie das Nachthemd wieder zurechtgerückt hatte. Kein Anhänger.
Bitte,
flehte Calder inständig,
lass sie den Schlüssel tragen.
    »Wer sind diese Leute?«, fragte die Amerikanerin. »Deine Familie?«
    »Du siehst sie also auch?«, flüsterte er in gebrochenem Englisch. »Drei Geister?«
    »Hast du ihr den Schlüssel gegeben?«, fragte Ana.
    Alexis’ Stimme klang bedrohlich. »Ana.«
    »Ich habe um Vergebung gebetet«, sagte Ilja zu Ana und sah dann zu Alexis und Calder hinüber. »Bitte quält mich nicht. Ich habe keinen Schlüssel.«
    »Hör auf ihn«, zischte Alexis.
    »Er lügt«, sagte Ana aufgebracht. Bevor Calder eingreifen konnte, hielt Ana die Pistole in der Hand und zielte auf Ilja. »Ich werde es beweisen.«
    So leicht, wie sie einen Lichtschalter betätigte, drückte sie ab. Calder und Alexis stürzten sich auf sie, der Seelenhüter riss ihren Arm nach unten. Der Schuss hallte in dem Raum wider, Ilja sprang auf und kroch rückwärts. Die Frau schrie. Ilja umfasste seinen linken Arm.
    »Fahrt zur Hölle, im Namen Jesu Christi«, rief er laut.
    Die Frau stand auf und sagte hysterisch: »Ich rufe die Polizei!« Sie war aber zu verängstigt, um hinauszurennen und ein Telefon zu suchen. Wie verloren stand sie da in ihrem Nachthemd. Zu Calders Verzweiflung entdeckte er ein kleines goldenes Kreuz um ihren Hals.
    »Tu es nicht«, sagte Ilja, während Blut zwischen seinen Fingern hervorquoll.
    Ana hatte das Kreuz ebenfalls bemerkt. Genau wie das Blut. »Nein«, flüsterte sie und ließ die Waffe fallen. »Du kannst nicht bluten.«

23.
    G edämpfte Stimmen, Schritte, knarzende Fußböden, das Rütteln an Türknäufen wurden laut. Iljas Nachbarn und der Vermieter rannten herbei, um zu sehen, was passiert war. An Iljas angstgeweiteten Augen erkannte Calder, dass es ihm egal war, ob Ana lebte oder ein Geist war – er wollte nur, dass sie endlich verschwanden. Er wollte vergessen, dass er je ihr Liebster gewesen war oder ihr Gefängniswärter. Als der Seelenhüter die Kinder aus dem Zimmer schob, hörte er noch, wie Ilja zu seiner Freundin sagte, die Eindringlinge hätten ihn mit jemandem verwechselt.
    Calder hasste sich dafür, dass er Anas Reaktion nicht vorhergesehen hatte. Sie dachte, Ilja wäre wie sie, wenn er sich die Kette mit dem Schlüssel um den Hals gelegt hätte. Sie wusste nicht, dass Alexis und sie nur unsterblich waren, weil sie ihn am Sterbebett ihres Bruders gesehen hatten. Sie hatte gedacht, sie könnte Ilja mit in den Himmel nehmen.
    Überall standen Menschen in den Zimmertüren, doch keiner versuchte, sie aufzuhalten. Vielleicht hatten sie schon zu viele Bühnenschüsse gehört, um an eine echte Gefahr zu denken. Calder schob Ana und Alexis rasch nach draußen.
    Der Schlüssel kann überall sein,
dachte er verzweifelt. Er konnte an nichts anderes mehr denken.
Er war nicht dort, wo Ana ihn versteckt hatte. Er war nicht bei Ilja. Jeder hätte ihn aus dem Haus in Jekaterinburg nehmen können.
Er schluckte die aufsteigende Angst hinunter, legte den Arm um Ana und ging unbeirrt weiter.
    Als sie zur Straße kamen, hielt ein Auto vor ihnen an. Die Fahrerin, eine sommersprossige Frau, die nur einen Badeanzug trug, lehnte sich aus dem Fenster und blickte stirnrunzelnd auf das Mädchen. »Geht es ihr gut?«
    Calder legte den Arm um Anas Taille. »Sie ist in Ohnmacht gefallen«, antwortete er.
    »Lass mich«, sagte Ana, und er zog seinen Arm weg.
    »Kann ich euch mitnehmen?«, fragte die Frau.
    Calder

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