Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
geklaut.«
Janne zögerte einen Moment, doch inzwischen war auch seine Neugier geweckt. Vorsichtig folgte er seinem Kumpel die Treppe hinunter.
Der Monitor stand auf einem klapprigen alten Campingtisch. Er war nicht besonders groß, aber auch Janne sah sofort, dass er erst seit Kurzem hier stehen konnte. Es schien ein sehr neues Modell zu sein.
Ole dagegen hatte das Interesse an seinem Fund schon wieder verloren. Er beschäftigte sich gerade mit einigen Schaltern, die laienhaft in die Wand neben einer kleinen Metalltür eingelassen waren. Darüber schlängelten sich kunststoffummantelte Drähte zu einer größeren, über dem Putz verlegten Leitung. Die Tür ähnelte der Klappe, durch die sie in die Fabrik gelangt waren, war aber ungefähr doppelt so groß und besaß nur einen Flügel.
Ole betätigte die Schalter. Ein leises Rauschen ertönte, doch sonst passierte nichts.
»Hört sich wie ‘ne Lüftung an«, bemerkte er mit leicht enttäuschter Miene. »Ist vielleicht für den Raum hinter der Tür.«
Er begann, den schweren Riegel aufzuschieben. Im Gegensatz zu der anderen Tür war dieser nicht aus Holz, sondern aus Metall. Ein kreischendes Geräusch ertönte, als sich der Riegel langsam hob.
Janne sah seinem Freund schweigend zu. Er wusste, dass es sinnlos wäre, ihn von seinem Vorhaben abhalten zu wollen. Ole machte ohnehin immer, worauf er gerade Lust hatte. Und in diesem Augenblick hatte er offensichtlich Lust, den Raum hinter der Tür genauer zu inspizieren.
Als Ole die Tür aufzog, schimmerte dahinter Licht. Janne zog erstaunt die Augenbrauen zusammen, doch dann fielen ihm die beiden Schalter ein, die sein Freund vorher betätigt hatte. Einer davon musste das Licht angemacht haben.
In dem Moment, als Ole die Tür noch weiter öffnete, schlug den Jungen plötzlich ein widerwärtiger, beißender Gestank entgegen.
»Boah, ist das heftig«, brüllte Ole. Während sein Kumpel angewidert ein paar Schritte zurückwich, versteckte er Mund und Nase in seiner Armbeuge, bückte sich aber ein Stück weiter runter, um besser in den Raum hineinspähen zu können.
»Da steht ein Campingklo, das stinkt so«, teilte er seinem Freund mit. Dann lachte er auf. »Mann, das muss total vollgeschissen sein.« Er beugte sich noch ein bisschen weiter nach unten, doch plötzlich erstarrte er.
»Oh scheiße!«, stammelte er. »Scheiße, nein!«
Schlagartig richtete er sich auf, drehte sich um und rannte die Treppe hinauf.
Janne trat nicht an die Tür heran, ging jedoch in die Hocke, um zu sehen, was seinen Freund so erschreckt hatte. Er wusste, dass es besser für ihn wäre, Ole sofort nachzulaufen, doch irgendetwas zwang ihn, in den Raum hineinzusehen. Er machte sich auf einen grausigen Anblick gefasst, aber was er dann sah, überstieg seine schlimmsten Erwartungen.
In einer Ecke des kleinen, gekachelten Raumes lag ein Mann auf dem Fliesenboden. Er war auf die Seite gedreht und hatte einen dicken Wollmantel um sich geschlungen. Sein bärtiges Gesicht war seltsam bleich. Es sah beinahe aus wie aus Wachs geformt. Eine dicke Zunge ragte aus dem leicht geöffneten Mund, und die offenen Augen starrten reglos zu Boden.
»Oh Gott«, murmelte Janne beinahe apathisch. Er spürte, dass Übelkeit in ihm aufstieg und schluckte ein paar Mal schwer.
Langsam erhob er sich und ging wie ferngesteuert die Treppe hoch, zurück in die große Halle. Sein Freund Ole war nirgends zu sehen. Er musste schon durch die kleine Öffnung nach draußen gekrochen sein, doch Janne verschwendete nicht einen Gedanken daran.
Wie in Zeitlupe holte er sein Handy aus seiner Hosentasche, entsperrte es und wählte den Notruf.
*
Unschlüssig blieb Lucia Tenstaage vor dem Eingang des Polizeireviers stehen. Schon den ganzen Weg hierher war sie unsicher gewesen, ob sie ihr Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen sollte, doch inzwischen hatte sie einfach nur noch Angst.
Sie hatte alles falsch gemacht, das hatte die Privatdetektivin ihr klargemacht. Und Frau Lürssen war es auch gewesen, die ihr am Tag zuvor geraten hatte, sofort zur Polizei zu gehen. Doch sie hatte es nicht geschafft. Sie wusste nicht, wie sie alles erklären sollte, deshalb hatte sie erst einmal eine Nacht gebraucht, um überhaupt den Mut für diesen Schritt aufzubringen. Nur leider schien genau dieser Mut sie gerade wieder zu verlassen.
Sie hatte fast die ganze Nacht wachgelegen und gegrübelt. Sie hatte überlegt, ob sie es ihrem Mann schuldig war, nach ihm zu suchen. Oder ob sie es ihm
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