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Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Titel: Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Wassermann
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vorher.
    »Seit wann ist Ihr Mann denn verschwunden, Frau ...?«, erkundigte er sich.
    Erst da fiel es Lucia auf, dass sie ihren Namen nicht genannt hatte. »Tenstaage, Lucia Tenstaage«, beeilte sie sich zu sagen. Seit Mittwochabend ist er weg.«
    »Gut, Frau Tenstaage, mein Name ist Thomas Meyer.« Er lächelte milde, beinahe herablassend. »Wenn Ihr Mann erst seit gestern Abend verschwunden ist, sollten Sie vielleicht noch etwas abwarten. Vielleicht hat er bei einem Freund übernachtet ...«
    »Nein!«, unterbrach ihn Lucia. Ihre Stimme hatte energischer geklungen, als sie eigentlich gewollt hatte. »Ich meine nicht diesen Mittwoch, sondern einen anderen. Den 27. Februar. Seitdem ist er weg.« Ihr Atem ging schnell, und sie versuchte, sich ein wenig zu beruhigen. »Bitte entschuldigen Sie, ich bin ein bisschen aufgeregt«, fügte sie nach einer kleinen Pause hinzu.
    Der Polizist sah sie erstaunt an. »Seit dem 27. Februar?«, wiederholte er. »Das ist drei Wochen her. Und da kommen Sie erst jetzt?«
    »Ja, ich dachte, er wollte vielleicht nur etwas allein sein und würde einfach irgendwann wiederkommen ...«
    Lucia sah ihn unglücklich an. Sie wusste selbst nicht, wie sie ihr Verhalten erklären sollte. Dass sie mit der Vermisstenmeldung so lange gewartete hatte, war die eine Sache, aber wie sollte sie jemandem verständlich machen, dass sie Rüdigers E-Mails in seinem Namen beantwortet hatte? Vor allem konnte sie ja schlecht zugeben, dass sie hoffte, er würde für immer wegbleiben.
    Sie sah schon jetzt die deutliche Skepsis im Gesicht des Beamten.
    »Hatten Sie Streit? Oder haben Sie eine Trennung auf Zeit verabredet?«, fragte er vorsichtig.
    »Nein«, schluchzte Lucia. Sie schaffte es plötzlich nicht mehr, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. »Bitte entschuldigen Sie«, wiederholte sie noch einmal.
    »Schon gut.« Die Miene des Polizisten wirkte jetzt deutlich milder. Er griff unter den Tresen und holte ein Papiertaschentuch hervor, das er ihr reichte. Sie bedankte sich mit einem leichten Kopfnicken und presste sich das Tuch vor Mund und Nase.
    »Ich denke, ich nehme jetzt erst einmal schriftlich Ihre Anzeige auf. Dann sehen wir weiter«, schlug er in sanftem Ton vor. »In Ordnung?«
    Als Lucia nickte, wies er auf einen freien Schreibtisch an der Seite des Raumes. »Kommen Sie mit, da haben wir etwas mehr Ruhe.«
    Nachdem sie sich gesetzt hatten, begann er, die persönlichen Daten von Rüdiger Tenstaage abzufragen. Lucia beantwortete alles geduldig und wahrheitsgemäß. Sie war inzwischen schon wesentlich ruhiger geworden.
    Während sie redete, kam der ältere Polizist, der sie vor der Wache angesprochen hatte, zu ihnen an den Schreibtisch. Er lächelte ihr freundlich zu, dann warf er einen kurzen Blick über die Schulter seines jüngeren Kollegen auf das Formular, das dieser gerade ausfüllte. Plötzlich stutzte er. Unverwandt starrte er auf das Papier. Dann beugte er sich vor und sagte seinem Kollegen leise etwas ins Ohr.
    Dieser blickte erstaunt auf.
    »Bitte entschuldigen Sie mich einen Augenblick«, sagte er zu Lucia, stand auf und verschwand zusammen mit dem Älteren im Nebenzimmer.
    Es dauerte nicht lange. Schon ein paar Minuten später kehrte er zurück. Er setzte sich wieder Lucia gegenüber an den Schreibtisch.
    Sie musterte ihn nervös. Ihr war sein veränderter Gesichtsausdruck ebenso wenig entgangen wie sein tiefes Luftholen, bevor er anfing, mit ihr zu sprechen. Auch dass seine Finger unablässig mit einem Kugelschreiber herumspielten, trug nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei.
    »Frau Tenstaage«, begann er in ernstem Tonfall. »Ich habe gerade erfahren, dass wir Ihren Mann gefunden haben. Und ich muss Ihnen leider mitteilen, dass er nicht mehr lebt.«
    Lucia starrte ihn an, unfähig, auch nur ein Wort herauszubringen.
    Er hielt ihrem Blick stand, dann versuchte er ein entschuldigendes Lächeln. »Es tut mir leid, aber ich fürchte, Sie müssen noch eine Weile bei uns bleiben.«

*
    Zum dritten Mal drückte Suna auf den Klingelknopf, doch es änderte nichts. Niemand schien zuhause zu sein. Sie überlegte, ob sie zu einem der Fenster gehen und ins Haus sehen sollte, entschied sich aber dagegen. Das ginge dann doch zu weit. Also lief sie zu ihrem Wagen zurück, der an der Straße parkte.
    Sie war noch einmal zum Haus der Tenstaages gefahren, um nach Lucia zu sehen. Sie machte sich Sorgen um die Frau, die ihr am Tag zuvor so verzweifelt von den Grausamkeiten ihres Mannes erzählt hatte. Sie

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