Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
mit grauem Gesicht aus seinem Auto, drückt mir im Gehen die Hand und deutet auf etwas, das irgendwo über meinem Kopf sein muss.
»Was ist denn los, Alter?«
»Das Schild? Wo ist das Schild? Sie haben kein Schild aufgehängt. Ich weiß nicht, was hier los ist, ich versuche ständig, sie anzurufen, aber sie sind einfach nicht zu erreichen. Gibt es in den Clubräumen etwa keinen Empfang? Kannst
du dich daran erinnern? Ich glaube, da unten drin gibt’s kein Netz.«
Vadim ist nervös, und seine Laune überträgt sich auf mich.
»Hör mal«, sage ich. »Wozu zerbrichst du dir eigentlich den Kopf? Wir gehen jetzt rein und klären das. Wahrscheinlich stehen sie einfach unter Stress. Oder die Akkus sind leer, oder es gibt eben tatsächlich keinen Empfang.«
»Ja ja, irgendwas in der Art muss es ja sein«, murmelt Vadim zerstreut. Plötzlich bleibt er wie angewurzelt stehen. »Hör mal, das ist aber ziemlich blöd fürs Geschäft, wenn man keinen Empfang hat. Das nervt die Gäste. Wir müssen einen Verstärker installieren, was meinst du?«
»Wahrscheinlich. Schlechter Empfang ist voll out.«
»Ich verstehe nicht, warum sie das Schild noch nicht aufgehängt haben. Bis heute Abend ist nicht mehr viel Zeit. Was haben die bloß im Kopf?«
»Mann, du weißt doch, was diese Promoter für Typen sind. Die machen grundsätzlich alles auf den letzten Drücker. Der Club ist längst eröffnet, aber es sind keine Gläser da. Na schön, dann trinkt man eben aus Untertassen. Und dann heißt es, das sei besonders cool. Vielleicht wollen sie überhaupt kein Schild? Vielleicht machen sie ja auf Insider-Location oder so?«
»Kann natürlich sein«, lächelt Vadim unsicher.
Wir erreichen die Eingangstür des Clubs, die immer noch einen Plastiküberzug trägt, ruckeln an der Türklinke und stellen fest, dass sie verschlossen ist.
»Fuck!«, sagt Vadim. »Was soll der Scheiß?« Dann legt er das Ohr an die Tür und murmelt: »Man hört überhaupt nichts. Verstehst du das?«
»Die Räume liegen ziemlich tief. Mischa hat doch gesagt, die Nachbarn werden nicht gestört, weil der Club so tief liegt.«
»Was denn für Nachbarn? Das ist ein Bürogebäude, da gibt es keine Nachbarn«, brummt Vadim gereizt.
»Dann wird eben das Bürogebäude nicht gestört«, sage ich und zucke mit den Achseln.
»Hör mal, gibt es hier eigentlich eine Hintertür? Oder einen Notausgang?«
»Bestimmt. Muss es ja geben. Lass uns mal in den Hof gehen, vielleicht finden wir was.«
Während wir durch die Toreinfahrt gehen, traktiert Vadim ununterbrochen sein Handy und flucht vor sich hin:
»Ich verstehe das nicht. Ich verstehe gar nichts mehr. Ich habe sie aus Petersburg extra angerufen.«
Seine Nerven sind inzwischen am Ende, und auch ich werde langsam unruhig. Ich hoffe sehr, wir finden jetzt diesen verdammten Hintereingang, machen die Tür auf und hören irgendetwas: das Heulen von Bohrmaschinen und Schleifgeräten, Hämmern und Sägen, oder den Soundcheck der Musikanlage. Dann finden wir Sascha und Mischa und machen sie zur Schnecke. »He, ihr Blödmänner, wieso hängt denn das Schild noch nicht, und was ist mit euren Handys los? Seid ihr sicher, dass wir heute aufmachen? Was ist das überhaupt für eine Schlamperei?« Sascha und Mischa gucken uns wieder an wie ungezogene kleine Kinder, die bei der Arbeit stören und fluchen zurück: »Könnt ihr uns vielleicht mal in Ruhe unseren Job machen lassen, verdammte Scheiße!« Aber mit jedem Schritt, den wir tun, verdichtet sich das Gefühl, dass wir nichts dergleichen vorfinden werden.
Alles ist viel schlimmer, als wir denken. Aber wie könnte es schlimmer sein?
Im Hof gibt es drei Türen, die an der Seite des Clubs gelegen sind. Eine davon führt ins Treppenhaus. Hinter der zweiten, einer schweren Eisentür, sind offensichtlich die elektrischen Anlagen untergebracht. »Betreten verboten. Lebensgefahr« steht darauf. Die dritte Tür erscheint vielversprechend. Vadim ruckelt an der Klinke, zuerst mit einer Hand, dann mit beiden Händen, dann donnert er mit den Fäusten dagegen und schließlich bearbeitet er sie mit den Füßen. Ohne Ergebnis. Nach einem letzten vergeblichen Ruckeln gibt er auf. Im Hof hantieren zwei Arbeiter in orangefarbenen Westen mit Kabelrollen herum. Vadim geht zu ihnen und fragt:
»Mahlzeit! Sind Sie schon lange hier? Können Sie mir sagen, ob in diesem Keller da gearbeitet wird? Haben Sie etwas gehört oder gesehen?«
Die beiden Arbeiter wechseln Blicke, dann sagt einer von ihnen
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