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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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andere. Wer das Gegenteil behauptet, zieht nur eine billige Show ab, um euch dumme Puten ins Bett zu kriegen. Oder er hat sich bis unter die Haarwurzeln mit Chemie vollgepumpt. Hahaha. Hältst du mich wirklich für einen so tollen Typen? Ein Ästhet mit hoher Stirn und aristokratischen Manieren, Dauerständer inklusive! Ja? Ist es das? Dann los, suchen wir uns ein schönes Hotel, lassen Blumen und Champagner kommen! Und du holst ein Büchlein von Swetajewa aus deinem Handtäschchen und liest mir zwischen jeder Nummer ein Gedichtchen vor! Wie wär das? Na los, ich bin bereit, ich platze förmlich vor Leidenschaft!« Und ich bin noch nicht fertig.
    »Ich bin doch sowieso jedes Mal besoffen oder bekifft oder vollgekokst, wenn wir uns treffen. Meistens alles gleichzeitig. In so einem Zustand würde ich sogar ein Pferd vögeln, da brauche ich keine Dame, die mit mir kultivierte Gespräche über zeitgenössische Prosa führt. Merkst du nicht,
dass ich ein Loser bin? Ich bin der letzte Arsch mit dem Gebaren eines Provinzschauspielers. Ich bin der Schwarze Peter, der alle in die Pfanne haut, einschließlich sich selber. Ich habe schon als kleines Kind nie lange mit demselben Spielzeug gespielt, ich brauche schnell etwas Neues. Ich verschwende mein Leben, verschwende es Tag für Tag bei der Jagd nach banalen Vergnügungen. Ich laufe vor mir selbst davon, ich finde mich zum Kotzen langweilig und widerwärtig. Meine einzige wahre Liebe ist die Depression. Ist es das, was du brauchst? Möchtest du dich auch gern in diesem Dreck wälzen? Anders kann ich mir deine Neigung zu mir nicht erklären. Wozu vergeudest du deine Zeit? Hast du als Teenager mit Plastikpuppen onaniert, dass es dich zu solchen Zelluloid-Typen zieht? Brauchst du die harte Linie?
    In der Tat – die Linie – das ist mein Ding, meine Prärogative. Ich sitze hier, meine Nase juckt, und mein Harnleiter brennt wie Feuer, als hätte ich den Tripper. Du rümpfst die Nase, als wüsstest du nicht einmal, was das ist. Wahrscheinlich weißt du es tatsächlich nicht, du bist ja schließlich ein Engel, und Engel haben in der Regel keinen Tripper. Geschlechtskrankheiten sind das besondere Privileg der Nutten. Nur, was tust du dann hier? Warum sitzt du da und machst ein Gesicht, als hättest du Angst, dich schmutzig zu machen? Engel gehören nicht in den Schmutz. Flatter mit deinen Flügelchen und flieg weg. Hau ab! Siehst du nicht, wie ich dich in diesen Mist hineinziehe? In diese widerwärtige Welt, in der es aussieht wie auf Goyas schlimmsten Bildern? Willst du auch so sein wie ich? Nein? Dann geh. Steh auf und geh!«

    Und da steht sie auf, zerknüllt mit ihren langen schlanken Fingern die Serviette und geht tatsächlich. Haben Sie mich verstanden? Sie geht tatsächlich weg! Sie macht keine Szene wie all diese banalen Weiber, die fünf Minuten nach der Trennung schon wieder mit ihrem Telefonterror beginnen, dir ein Totes Meer von Tränen vollheulen, um dir anschließend ein hübsches dickes Präsent aus dem Kreuz zu leiern. Nein, sie geht tatsächlich. Und kurz bevor sie endgültig verschwindet, dreht sie sich noch einmal zu mir um. Als ich ihre Augen sehe, wird mir klar, dass sie mich nie mehr anrufen wird. Sie wird mir keine SMS und keine E-Mail mehr schreiben. Ihr Entschluss steht fest. Und anstatt ihr nachzulaufen, ihre Hände zu greifen und zu küssen, an ihrer Schulter zu weinen, anstatt zu versuchen, die Sache noch einmal geradezubiegen, bleibe ich einfach sitzen und grinse blöde. Und dabei fühle ich mich auch noch so cool. Warum, das verstehe ich selbst nicht. Ein Typ, der die einzige Chance verpasst hat, an seinen Ohren aus dieser Müllgrube herausgezogen zu werden, sitzt da, bis zum Scheitel in der Scheiße, und nuckelt mit dummem Gesicht am Daumen. Haben Sie so was schon mal gesehen?
    Es vergehen zehn Minuten. Dann beginne ich allmählich zu begreifen, was passiert ist. Ich bedecke mein Gesicht mit den Händen und fange am ganzen Körper an zu beben. Wozu habe ich bloß diese beschissene, abgeschmackte Clownerie abgezogen, ihr den eiskalten Alien vorgespielt? Den gottlosen, verrohten Nihilisten mit zerfressener Nasenscheidewand! Was bin ich denn für ein Idiot!
    Ich wünschte, dieses verdammte Schatjor würde jetzt einfach im Wasser versinken und ich mit ihm. Ich bin so ein
Arschloch! Wie weit kann denn die Angst vor den eigenen Gefühlen noch gehen?
     
    »Sind Sie in Ordnung?« Neben mir steht der Kellner. Ich schnappe in die Höhe wie ein Springteufel.

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