Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
gedehnt:
»Wir haben nichts gesehen.«
»Sie haben nichts gesehen«, wiederholt Vadim flüsternd. »Bauern, verdammte! Blindfüchse!«
In dem Moment biegt eine Oma mit einer schweren Einkaufstasche in der Hand aus dem Torbogen in den Hof. Sie hat offenbar Vadims Frage gehört und spricht ihn an.
»Junger Mann, haben Sie nach dem Keller gefragt?«
Vadim stürzt sich mit irrem Blick auf sie:
»Ja! Genau! Den Keller da meine ich!«
»Tja, die haben bis frühmorgens furchtbaren Radau gemacht, das ganze Haus konnte nicht schlafen. Sie haben lauter
Sachen rausgeschleppt, Sofas, Sessel, lange Holzbretter. Aber heute war dann alles still. Die sind bestimmt ausgezogen.«
»Vielen Dank«, sagt Vadim tonlos.
Ich rüttel noch einmal an der Klinke, überzeuge mich, dass die Tür wirklich abgeschlossen ist. Dann hole ich eine Dose Coca-Cola aus der Tasche, reiße sie auf, nehme ein paar Schluck, zünde mir eine Zigarette an. Was das Clubgeschäft angeht, habe ich keine weiteren Fragen. Betreten verboten. Lebensgefahr.
Wieder auf der Straße, rückt Vadim der Eingangstür erneut mit Händen und Füßen zu Leibe, unterbrochen nur von weiteren vergeblichen Versuchen, Sascha und Mischa telefonisch zu erreichen. Dann gibt er endgültig auf. Er zündet sich eine Zigarette an und hockt sich neben der Tür auf die Erde. Da höre ich, wie eine Autotür zugeschlagen wird. Ich schaue auf und bemerke einen Lieferwagen mit dem Logo eines Bierverlages, der in der Nähe des Eingangs parkt. Der Fahrer kommt auf uns zu, in den Händen eine nicht angezündete Zigarette. Er grüßt und erkundigt sich höflich:
»Leute, wollt ihr in den Club?«
»Hmhm.«
»Habt ihr eine Ahnung, wann die aufmachen?«
»Das wüssten wir selbst gern.«
»Aha. Ich wollte eigentlich ein paar Werbeartikel vorbeibringen und die Zapfanlage anschließen. Seit einer Stunde stehe ich hier rum und weiß nicht, was ich machen soll. Heut ist doch Freitag, ich will zu meiner Datscha. Wenn ich bis heute Abend hier warten muss, dann krieg ich auf der
Jaroslawsker Chaussee so einen Stau, dass ich erst morgen früh ankomme.«
»Junge, fahr bloß los zu deiner Datscha. Hier kommt heute keiner mehr.«
»Meinst du?«
»Verlass dich drauf. Hundert Pro!«
»Ja dann … also danke, dass ihr mir Bescheid gesagt habt.« Der Fahrer schiebt sorgfältig seine Zigarette in die Packung zurück und holt sein Handy aus der Tasche. Wahrscheinlich will er seine Firma informieren. Ich höre ein paar Satzfetzen:
»Ihr seid doch ein paar Blödmänner, verdammt, keine Ahnung von Organisation und Planung!«
Wie Recht du hast, Junge, denke ich. Wenn du wüsstest, was wir alles für Pläne hatten!
Vadim befindet sich inzwischen im Zustand ungehemmter Frustration. Er steht auf, lehnt sich an die Wand und starrt ins Leere. Die Zigarette in seiner herabhängenden linken Hand ist fast bis zum Filter heruntergebrannt und droht ihm die Finger zu versengen. Als der Fahrer weg ist, bewegt sich sein Gesicht für einen Moment, und er fragt leise:
»Wer war das?«
»Ein Vertreter anderer Minderheitsaktionäre.«
»Wer?«
»Irgendein Bierkutscher. Wenn ich das richtig verstehe, sind wir nicht die Einzigen, die geschäftliche Interessen an diesem Projekt haben. Also vergiss es.«
»Diese Arschlöcher …« Vadim sinkt wieder in die Hocke und stützt sein Kinn auf die Ellenbogen. Die Zigarette fällt auf den Asphalt.
»Hör auf, Alter. Wir müssen herausfinden, wo sie sind. Die Sache muss sich doch klären lassen. Vielleicht ist ja wirklich was dazwischengekommen, bürokratische Schwierigkeiten oder so was. Obwohl ich nicht daran glaube. Ich bin eigentlich sicher, dass diese Pfeifen uns reingelegt haben.«
»Wenn ich bloß wüsste, was wir jetzt machen sollen …«
»Komm, Alter, lass dich jetzt nicht hängen! Deswegen ist das Leben noch nicht zu Ende, oder? Ich lasse mir was einfallen, auf jeden Fall. Und wenn mir nichts einfällt, dann gießen wir uns einfach einen auf die Lampe, oder wir reißen ein paar Mädchen auf. Wie neulich in Petersburg, okay? Oder wir besorgen uns gleich ein paar Nutten, das ist noch besser. Los, wir ordern ein paar First-Class-Callgirls und lassen es mal richtig knallen. Echt, sag mal, wann hast du dir das letzte Mal eine Nutte geleistet?«
Ich hocke mich neben ihn, lege den Arm um seine Schulter und versuche, ihn in die Wirklichkeit zurückzuholen. Ich quatsche allen möglichen Blödsinn, mache, so gut es geht, auf locker, obwohl mir selber ganz und gar nicht
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