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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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anzuhören. Ich lache mich tot, hörst du? Ist doch super, oder?« Ich schreie und schreie, sein Gesicht wird nass von meinem sprühenden Speichel. Er wischt ihn mit dem Ärmel ab, stößt mich mit beiden Händen zurück und rennt zu seinem Auto. Er startet den Motor, legt den Rückwärtsgang ein, kommt neben mir zum Stehen und schreit durch das offene Fenster:
    »Du bist doch krank in der Birne!« Er schlägt sich an den Kopf. »Du gehörst in Behandlung!«
    Dann saust er mit quietschenden Reifen davon.
    »He, wo willst du hin?«, rufe ich ihm nach. »Fährst du zum Psychiater? Warte, ich komme mit!« Wütend schmeiße ich ihm die halbleere Coladose hinterher. Sie trifft seine Heckscheibe, Cola spritzt schäumend über das Glas, der Wagen schlingert kurz und verschwindet dann aus meinem Blickfeld. Ich fuchtele melodramatisch mit den Armen, wie eine Figur aus einem Fellini-Film, und brülle durch die zusammengelegten Hände:
    »Schönen Gruß an Frau und Kind, du Blödmann! Erzähl ihnen, das du aus lauter Geldgier eure gesamten Ersparnisse verzockt hast! Küsschen!«

    Dann drehe ich mich um, renne zu dieser verdammten Eingangstür und trete mit voller Wucht dagegen. Dann noch einmal. Irgendetwas knirscht, entweder die Tür oder mein Schuh. Danach bin ich etwas ruhiger und zünde mir erst einmal eine Zigarette an. In der Ferne taucht ein Polizeiauto auf, und eine Stimme sagt mir: Sieh zu, dass du Land gewinnst, Kollege. Das ist besser für dich.
     
    Gegen zwölf Uhr nachts parke ich vor dem Fabrique. Ich sehe mir die Menge an, die sich vor dem Eingang herumdrückt. Die Hälfte davon besteht aus jungen Mädchen, die sich die größte Mühe geben, auf dem schnellsten Weg alte Omas zu werden, die andere Hälfte aus jungen Typen, von denen die meisten wahrscheinlich nichts dagegen hätten, Mädchen zu sein. Die Mädchen versuchen, den schweigsamen Türsteher in ein Gespräch zu verwickeln, sie reden ihn mit Namen an und umgarnen ihn mit allen erdenklichen Tricks. Die Jungs wiederum stehen mit finsteren Gesichtern da, quatschen ab und zu in ihre Handys und versuchen dann, den Türsteher mit vermeintlich wichtigen Namen zu beeindrucken. Aber der steht fest wie die Kremlwache, zeigt ein winziges unverbindliches Lächeln und bleibt absolut unnahbar; was ihn in den Augen der Mädchen nur attraktiver macht. Eine geheimnisvolle Aura umgibt ihn, ein Leuchten, das geradezu überirdisch wirkt, obwohl man weiß, dass dieser Effekt von dem Neonschild über dem Eingang erzeugt wird.
    Manchmal lässt er ein paar Mädchen, die ihm gefallen, passieren, was bei den anderen jedes Mal ein kollektives Aufstöhnen auslöst und sie dazu veranlasst, ihm nur noch
glühendere Blicke zuzuwerfen. Jetzt entfernt sich eines der Mädchen ein paar Schritte von der Menge und spricht mit schriller Stimme in ihr Handy. Anscheinend ist es ihrer Freundin gelungen, in den Club eingelassen zu werden, aber sie steht noch draußen auf der Straße. Wütend kreischt sie ins Telefon:
    »Ach ja? Prima! Und ich stehe jetzt hier rum wie eine Vollidiotin, oder was? Wann kommt er denn? Bist du sicher, dass er eine Clubkarte hat? Und was ist, wenn er nicht kommt? Hast du eigentlich einen Vogel, Oksana? Was soll das heißen, du weißt es nicht? Ist da keiner, den du anquatschen kannst? Hör zu, ich warte hier noch genau zwanzig Minuten, dann haue ich ab, klar? Nein, ich hab seine Nummer nicht, er hat sie mir nicht gegeben. Also tschau!«
    Dann zerdrückt sie noch einmal das Wort »Scheiße« zwischen den Zähnen, holt eine dünne Zigarette hervor und zündet sie an. Ich schätze sie auf höchstens zweiundzwanzig, und wie es aussieht, droht der Abend für sie zur schlimmsten Katastrophe dieses Sommers zu werden.
    Ich sehe diesem schlichten Sommernachtsdramolett eine Weile amüsiert zu, dann gehe ich dicht an dem Mädchen vorbei, wende mich wie zufällig um und sage:
    »Hallo, gibt es Probleme?«
    Sie dreht den Kopf schroff in meine Richtung und schneidet eine verächtliche Grimasse. Wahrscheinlich dachte sie, einer ihrer Altersgenossen will ihr den Night-Cowboy vorspielen. Als sie bemerkt, dass sie sich getäuscht hat, klimpert sie ganz schnell mit den Wimpern, setzt den Gesichtsausdruck einer schüchternen Debütantin der Pornoindustrie auf und sagt:

    »Ach, meine Freundin und ich haben uns verpasst. Sie ist schon drinnen und hat blöderweise meine Clubkarte in ihrer Tasche.«
    Diese allzu gewöhnliche Lüge macht mich nur noch schwermütiger. Aber weil mir klar ist,

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