Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
ging um ein geeignetes Motiv für die Promotion in der Region. Gezeigt werden sollte ein Produkt für echte Männer oder so was in der Art. Es gab
diesbezüglich detaillierte Instruktionen, und daran haben sich unsere Jungs gehalten. Wo ist also das Problem?«
»Alan hat da eine etwas andere Meinung«, entgegnet Kondratow, und sofort beginnt Garrideau aus seiner Ecke zu kläffen: »Allerdings. Ich meine nämlich, dass diese Image ist eine ziemliche Provokation.«
»Aha? Und was ist daran so wahnsinnig provokant?«, blaffe ich zurück. Ich merke, dass ich allmählich sauer werde. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Kondratow am liebsten unter seinen Schreibtisch rutschen würde, damit er bloß nicht dabei zusehen muss, wie die beiden Betriebshofhunde aufeinander losgehen und sich zerfetzen.
»Diese Image sieht ganz aus wie eine Image aus dem Gangsterfilm ›Scar Faced‹ mit Al Pacino, vouz comprenez?« – Und weiter geht’s in einem wilden Gemisch aus Russisch, Englisch und Französisch – »Dieser Körnerhaufen looks like a … a drug, you see? Aber unsere Consumer, sie sind keine Gangster. So diese Plakat damages unsere Brand, weil es ruft eine schlechte Feeling hervor bei die Consumer. Okay? So wir haben da eine Problem, die wir müssen lösen. Das ist, was ich wollte sagen.«
Ich fasse es nicht. Selbst so ein maroder Charakter wie ich wäre nie darauf gekommen, ein Häuflein Mais mit einem Berg Koks zu verwechseln. Dabei hat diese Flasche Garrideau doch nicht einmal den Mumm, das Wort Kokain auch nur laut auszusprechen. Obwohl ich sicher bin, dass er mit seinen französischen Freunden, wahrscheinlich ausnahmslos irgendwelche Nobelköche und Reklameheinis, sich allen möglichen Dreck reinzieht. Kondratow wendet sich verlegen ab, während Garrideau selbst eine betont betrübte Miene
zur Schau stellt, und im Raum breitet sich, wie ein Drehbuchautor es vielleicht formuliert hätte, eine zähe Atmosphäre des Bedauerns aus. Beiden ist es sehr, sehr unangenehm, dass ich so einen Müll habe durchgehen lassen, und beiden fällt es sehr, sehr schwer, in diesem respektablen Büro über dieses unangenehme Problem zu reden. Wir sorgen uns doch alle um nichts anderes, als dass wir vor den Augen unserer Kunden keusch und rein dastehen, und wir wollen doch auf gar keinen Fall irgendjemanden irgendwie provozieren, denn schließlich und endlich geht es bei unserem Geschäft ja im weitesten Sinne um die Volksgesundheit (Konservierungsmittel, Genmanipulation usw.). Und beide, Garrideau und Kondratow, erfüllen ja nur ihre Bürgerpflicht im Kampf gegen das Laster, wie es sich für jeden anständigen Menschen gehört. Dem tut es keinen Abbruch, dass Kondratow, der im Übrigen ein lupenreiner Alkoholiker ist, heute Abend in den Puff gehen wird, wie es sich für einen anständigen Ehemann und Vater von zwei Kindern auch gehört. Und Garrideau trifft sich mit seinen Kollegen vom französischen Club, allesamt hochanständige Zeitgenossen, mit weltmännischem Lächeln auf den sensiblen Lippen, männlichem Händedruck und einer Chipkarte für den diskreten SM-Salon in der Brieftasche.
Aber darüber spricht man natürlich nicht. Man kann die Stadt Moskau mit einer einzigen riesigen Firma vergleichen, in der der Zugang zu den Pornosites gesperrt ist. Trotzdem holen sich alle Angestellten in der Mittagspause in freundschaftlicher Übereinkunft mit dem System-Administrator des Büros einen runter. Die Welt wird längst nicht mehr vom Kapital regiert, die wahren Könige der Erde heißen Heuchelei
und Bigotterie. Alle koksen, was das Zeug hält, laufen durch die Gegend wie Hirnamputierte und wackeln mit den leeren Köpfen. Aber in den Tageszeitungen, in den Magazinen, im Fernsehen wird dieses Thema peinlichst gemieden, es wird tabuisiert, es existiert einfach nicht, wie ausradiert mit einem gigantischen Löschstift. Deshalb kann eine Werbeidee noch so originell sein. Wenn darin Wörter vorkommen, die wie Slangausdrücke aus dem Wortschatz eines Drogendealers klingen, wird sie schlichtweg gecancelt.
»Was soll das denn für ein Slogan sein? Ein Trip ins Paradies? Ist euch überhaupt klar, dass diese Formulierung total zweideutig ist? Dass sie bei vielen Bürgern unerwünschte Assoziationen hervorrufen könnte?«
Mann, du Schwachkopf, wenn hier einer Probleme hat, dann du! Du bist es, der ständig und überall die immer gleichen Symbole und Anspielungen herausdeutelt und sich diebisch freut, wenn er mal wieder fündig geworden ist. Wenn
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