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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Regentropfen ein, bis mir das Wasser in Strömen über Gesicht und Hände rinnt. Dann zünde ich mir eine Zigarette an, wobei ich die Flamme mit der gekrümmten Handfläche gegen den Regen schütze, wie es die harten Jungs in den Filmen über die Nachkriegszeit tun. Erst als der Regen mein Jackett fast völlig durchnässt hat, steige ich ins Auto und wähle ihre Nummer.
    »Jula, es regnet! Bist du schon bei deinem Auto?«
    »Hmhm.«
    Ich lasse das Fenster herunter und strecke den Arm mit dem Telefon nach draußen.
    »Hörst du, wie die Tropfen prasseln?«
    »Hmhm.«
    »Jula, wir hören dieselben Regentropfen, ist das nicht prima?«
    »Und wie prima! Ich wollte dich nämlich auch gerade anrufen und mit dir über den Regen plaudern. Ganz schön dämlich, was?«
    »Überhaupt nicht. Das ist klasse. Das war ein wunderschöner Spaziergang. Irrsinnig schön!«
    »Mir geht es so gut …«
    »Heute ist einfach ein ganz besonderer, ein wunderschöner Tag. Aber jetzt muss ich los. Ich ruf dich an.«
    »Tschüs. Und sei ein bisschen vorsichtiger, ja?«
    »Bin ich! Ganz bestimmt!«
     
    In der Mjasnizkaja-Straße, vor dem Eingang zum Club, treffe ich Vadim.

    Wir steigen zusammen die Stufen hinunter und gelangen in die Räume des Lokals. An den Wänden sind Fußbodendielen aufgestapelt, überall liegt Baumaterial herum, dazwischen in Plastikfolie verpackte Sitzmöbel. An der hinteren Wand des ersten Raumes steht ein Tisch in einem pseudobarocken Stil, daneben ein Ledersessel mit hoher Lehne. In dem Sessel sitzt, die Füße auf den Tisch gelegt, Sascha, Mischas Partner, und schaut in ein Notebook. Mischa liegt neben ihm auf einem Sofa ohne Plastiküberzug und blättert in einem Magazin. Neben dem Sofa türmt sich ein ganzer Stapel von Hochglanzmagazinen unterschiedlichster Art, Blätter wie GQ, Vogue und so weiter. An der einzigen funktionierenden Steckdose hängt eine große Kaffeemaschine. Nicht etwa ein Faxgerät oder ein Telefon, sondern ausgerechnet eine Kaffeemaschine.
    »Hallo«, sage ich. »Da sind wir.«
    »Hi! Nehmt ihr Kaffee?«, entgegnet Sascha und schaut halb in unsere Richtung. Weil er dabei mit vollem Mund Kekse kaut, klingt der Satz ungefähr wie »Fi, fehmfihrfaffee?«. Man fühlt sich sofort wie zu Hause.
    Das Gebäck befindet sich auf dem Tisch in einer Schüssel aus hellblauem Glas, daneben stehen ein paar Tassen aus demselben Material. Die Schüssel wirkt inmitten des ganzen Tohuwabohu ziemlich extravagant. Sascha bemerkt meinen Blick und sagt entschuldigend:
    »Ich esse einfach nicht gerne aus Scheiße.« Er zuckt mit den Schultern.
    »Unser Sascha ist ein Ästhet, da beißt die Maus keinen Faden ab. Sag mal, du Ästhet, funktioniert eigentlich dein W-LAN?« Mischa steht auf, um uns zu begrüßen. »Haut euch
aufs Sofa, oder soll ich euch lieber ein paar Sessel auspacken? Die Teile sind gerade aus Italien angekommen.«
    »Nein, Mischa, danke«, sagt Vadim und setzt sich auf das Sofa.
    »Gibt es hier tatsächlich W-LAN?«, frage ich.
    »Klaro. Wir wollen tagsüber ein Kaffeehaus und eine Art Businesslounge betreiben. In der Gegend gibt es massenweise Büros. Tja, wir sind gerüstet für das einundzwanzigste Jahrhundert«, antwortet Sascha.
    »Okay, Kinder, jetzt nehmen wir erst mal einen kleinen Kaffee, dann zeige ich euch die Entwürfe, und anschließend könnt ihr euch hier mal umsehen. Entschuldige, Vadim, dir kann ich bloß schwarzen Kaffee anbieten, ich habe keinen Süßstoff«, sagt Mischa und verzieht das Gesicht. »Unser Hausmeister hängt die ganze Zeit im Internet rum statt sich um den Betrieb zu kümmern.« Er deutet mit dem Kinn auf Sascha.
    Sascha zeigt ihm den Mittelfinger und tippt weiter auf der Computertastatur herum.
    »Woher weißt du, dass ich Süßstoff nehme?«, fragt Vadim überrascht.
    »Ich erinnere mich daran, Alter. Hier oben geht nichts verloren.« Er tippt sich an die Stirn.
    Wir stehen um das Notebook herum und nippen an unseren Kaffeetassen. Die Entwürfe sind genial. Alles in weißem Leder und glänzendem Metall, ein Cockpit als Platz für den DJ, zwei Plattformen für Gogo-Girls, die direkt an der Decke aufgehängt sind. Der VIP-Raum ist mit schokoladenfarbenem Leder ausgekleidet. »Das Design für den VIP-Raum haben wir von den Swiss-Air-Büros abgekupfert«, gesteht uns Mischa vertraulich.

    »Es gibt drei Räume. Sie sind in Economy, Business und First Class eingeteilt, wie bei einem Charterflugzeug. Das Personal trägt Flugbegleiteruniformen. Im VIP- und Businessbereich

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