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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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schreiend gelbe Krawatte mit kleinen bunten Tierchen darauf und scheußliche braune Loafer, gibt sich auch in der Haltung betont jugendlich. Ein typischer, nicht mehr ganz junger französischer Lebemann. Er setzt sich auf seinen Platz, begrüßt die Anwesenden und lässt dabei seinen Blick schwermütig über die Reihen schweifen. In seinem Gesicht lese ich klar und deutlich: O Gott, warum fallen all den anderen Glückspilzen, die auf die Rente zugehen, solche wunderbaren Regionen wie Martinique oder meinetwegen Südfrankreich zu, oder schlimmstenfalls Skandinavien? Warum nur schickt man mich in meinem Alter noch zu diesen Wilden nach Ost-Europa? Die werden doch niemals lernen, was es heißt, richtig zu arbeiten. Nur wie man sich durchmogelt, das haben sie gelernt! Wie er uns in diesem Moment hasst! Als wären wir schuld daran, dass er selber einen schlechten Job gemacht hat, nämlich mit seiner Zunge, als es darum ging, die Hintern seiner Aktionäre blankzulecken. Andernfalls säße er nämlich heute nicht in diesem ungemütlichen nasskalten Moskau, sondern in Mailand oder Madrid. Sein »Guten Tag, Kollegen« klingt wie »Seid verflucht, ihr Barbaren!« Aber das macht überhaupt nichts, ich verzeihe ihm das mit Leichtigkeit, denn nach diesem ganzen verlogenen
Gequatsche erwartet uns die Verkündung der Siegespreise beim großen Pferderennen!
    Es beginnt damit, dass Neker mit Märtyrergesicht (sein Name sei geheiligt, sein Reich komme, sein Profit vermehre sich in Ewigkeit, Amen) die leidvolle Mär von den nicht erfüllten Verkaufsplänen ablässt.
    »Mit Bedauern müssen wir feststellen, dass trotz der Erhöhung des Budgets (ganze 2,5 Prozent waren das, wie verschwenderisch!) unser russischer Konzernteil den Verkaufsplan nicht erfüllt hat. Dies hat sich äußerst negativ auf unser internationales Ranking ausgewirkt (klar, dein Jahresbonus ist ein wenig kleiner ausgefallen, und deine hysterische Frau kann deshalb weniger Kohle für ihre Wellnes-Trips verpulvern) . Obwohl der Markt wächst, sind unsere Ergebnisse in Russland deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben, was einigermaßen erstaunlich ist (was zum Teufel erwartest du von einem Betrieb, in dem außer den Kopiergeräten nichts funktioniert, und selbst die nicht einmal störungsfrei?) .«
    Unsere heldenhaften Mitarbeiter, all diese multifunktionalen Hohlköpfe, hocken da und schreiben eifrig in ihre Notizbücher. Fragt sich bloß, was sie da schreiben? Wir sind Idioten, Loser, Nichtstuer, wir haben den Plan nicht erfüllt, weil wir unfähig und dämlich sind? Ich linse dem Logistikdirektor heimlich über die Schulter. Aha, so ungefähr habe ich mir das gedacht:
    Spachtelmasse – 5 Liter;
Putz – 3 Säcke;
Farbe – 8 Liter;
Moskitonetz – 5 Meter.
Offensichtlich das neue Logistikkonzept. Wie verschiebt man am besten möglichst viele Scheinchen über die Route BUDGET DER FIRMA – BAUMARKT – WOCHENENDHAUS? Mit Volldampf in den privaten Wohlstand.
    Der Vortrag geht allen Anwesenden dermaßen am Arsch vorbei, dass man sich längst ein neues Prozedere zur Auswertung des Geschäftsjahrs hätte ausdenken können, aber wir setzen diese Praxis der kollektiven Beichte, des kollektiven Haare- und Budgetausreißens aus dem Kopf des Mutterkonzerns munter fort.
    Nekers monotone Rede in seinem beschissenen Englisch macht mich allmählich schläfrig. Nach den Gesichtern meiner Kollegen zu urteilen, auf denen jetzt eine Mixtur aus aufrichtiger Reue und dem vorwärtsstrebenden Gefühl junger Pioniere leuchtet (morgen alles viel besser machen), muss Nekers Philippika allmählich ihrem Ende entgegengehen. Ich habe mir schon lange abgewöhnt, diesem alljährlichen Sermon zuzuhören, und orientiere mich stattdessen an den Gesichtern meiner Kollegen über den Verlauf der Rede. Sobald, zum Beispiel, der Direktor der Petersburger Filiale seinen Kopf in die Hand stützt und auf seiner Stirn vier tiefe Querfalten erscheinen, nähert sich die Jahreskonferenz ihrem interessantesten Tagesordnungspunkt, für den wir diese ganze bizarre Selbstgeißelung überhaupt über uns ergehen lassen.
    Denn in diesem Moment kommt man zur Verkündung der Jahresboni für die einzelnen Abteilungen. Neker verliest die Liste. Wenn er den Namen der Abteilung oder der Filiale ausspricht, hebt er den Blick zu der betreffenden Person, die diese Abteilung vertritt und nennt dann mit dem angemessenen
Pathos in der Stimme die Summe. Dabei erinnert er mich an Georgi Shshonow, der in dem Kriegsfilm

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