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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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am Ende dieses wunderbaren Tages, glaube ich, zum ersten Mal im Leben richtig glücklich zu sein.

    Dann brechen wir auf. Vadim setzt sich noch auf ein paar Zigarettenlängen zu mir ins Auto. Während wir rauchen, druckst er ein wenig herum. Endlich sagt er: »Hör mal, Alter, ich würde da gerne mal was mit dir besprechen … also, verstehst du … um es kurz zu machen, ich dachte, ich könnte vielleicht noch fünfzigtausend drauflegen.«
    »Bist du ein verkappter Millionär, oder was?«
    »Nein, nein, ich dachte bloß, sie wollten die Kohle in Cash, verstehst du, und so viel hab ich nicht flüssig. Ich mache dir einen Vorschlag. Ich bringe hundert, und fünfundzwanzig davon gehen auf deinen Anteil, quasi als Leihgabe von mir. Du wolltest dir doch sowieso was pumpen, oder?«
    »Vadim, du bist der letzte Mensch in dieser Stadt, von dem ich mir Geld leihen wollte. Nein, pass auf, wir machen es so: Ich bringe meine fünfzig ein und nehme den kleinsten Anteil. Das ist das Einfachste. Einverstanden?«
    »Das wäre aber nicht fifty-fifty!«
    »Vadim, ich sehe doch, wie heiß du auf diesen Deal bist. Glaub mir, für mich geht es bei diesem Projekt nicht in erster Linie um Geld, sondern um die Möglichkeit, mit guten Freunden zusammenzuarbeiten.«
    Vadim steckt sich eine Zigarette an, schaut aus dem Fenster, schweigt. Nach einer Weile sieht er mich an und sagt ernst:
    »Alter, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie wichtig dieses Projekt für mich ist. Ich habe vor, in meinem Laden aufzuhören, der Job hängt mir zum Hals raus. Das hier ist eine echte Chance für mich. Verstehst du? Die Chance, ein anderes Leben anzufangen, mit anderen Leuten zu arbeiten.
Ich bin heute den ganzen Tag wie angestochen herumgelaufen.«
    »Na gut, so weit bin ich noch nicht, voll und ganz ins Club-Geschäft einzusteigen. Lass es uns so machen, wie ich vorgeschlagen habe. Du bringst hundert, ich fünfzig. Und jetzt Feierabend, ich habe morgen eine Konferenz, ich muss in die Federn.«
    »Bist du auch nicht sauer auf mich?«, fragt Vadim mit traurigen Augen.
    »Glaub mir, für mich gibt es absolut keinen Grund, auf dich sauer zu sein«, sage ich und lege meine Hand auf seine.
    »Ich danke dir.« Vadim umarmt mich, küsst mich auf die Wange und öffnet die Wagentür. »Sicher?«
    »Ich bin mir immer sicher. Also, mach’s gut, Alter, ich rufe dich an.«
     
    Vadim steigt aus, und ich mache mich auf zur Lubjanka. Es stimmt, ich bin tatsächlich nicht die Spur sauer. Im Gegenteil, ich bin ehrlich froh, dass wenigstens einer von uns beiden sich aus der alltäglichen Tretmühle befreien kann. Ich spüre die gute Laune wie Öl durch meinen Körper fließen. Fürwahr, heute ist wirklich ein guter Tag, in jeder Hinsicht.

Die Konferenz
    Zehn Uhr morgens am nächsten Tag. In der Konferenz geht es um die Ergebnisse des vergangenen Geschäftsjahres. Wie in vielen internationalen Firmen ist das Geschäftsjahr in unserer Firma nicht identisch mit dem Kalenderjahr, sondern beginnt und endet im Juli. Es gibt zwar kaum eine vernünftige Erklärung für diesen Brauch, aber es ist halt so üblich.
    In unseren Räumen wimmelt es von den leitenden Angestellten der Provinzfilialen. Sie schlendern durch die Büros, besichtigen unsere kostbare Einrichtung, nippen diskret an ihren Kaffeetassen und nicken dann und wann bekannten Gesichtern zu. In der Halle und vor dem Empfangstresen drängen sie sich zusammen und trauen sich nicht weiterzugehen, wie Schulkinder vor der Prüfung. Schickt man sie fort, weil sie den Betrieb stören, verdrücken sie sich in die Büros der Verkäufer. Wer in der Moskauer Niederlassung Bekannte hat, hält sich in deren Büros auf.
    Irgendwann beginnt eine hektische Telefoniererei, um alle im Konferenzsaal zusammenzutreiben, ein wildes Suchen nach vermissten Personen setzt ein, und dazwischen tönen die Rufe der Sekretärinnen: »Haben Sie Ihre Kaffeetasse schon zurückgegeben?«
    Endlich haben sich alle im Konferenzraum eingefunden, die Leiter der unterschiedlichen Abteilungen, die Direktoren
der Filialen samt ihren Stellvertretern, kurz, unser ganzes sogenanntes Topmanagement. Wenn man in die Gesichter sieht, scheint sich jeder hier zu wünschen, er wäre unsichtbar. Damit man zwar hören kann, was geredet wird, selber aber allem Ärger aus dem Weg gehen kann.
    Neker betritt den Raum. Er sieht ein wenig mitgenommen aus im Vergleich zum letzten Jahr, aber für seine fünfundfünfzig Jahre hat er sich nicht schlecht gehalten. Er trägt eine

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