Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
doch ein wenig peinlich, dass ich so völlig ohne Einleitung angefangen habe, sie zu befummeln. Sie greift mir ins Haar und meint, Sascha, den sie aus irgendeinem Grund Fedja nennt, habe vollkommen Recht, sie finde es auch schrecklich, dass ihre Freundinnen so klamottengeil sind, und sie verstehe das überhaupt nicht, wo doch auch noch andere Werte existierten (Sex zum Beispiel, denke ich im Stillen), und überhaupt, Gucci möge sie sowieso nicht, und sie brauche eigentlich auch gar nichts, höchstens noch so eine ganz kleine Uhr, die würde sie sich vielleicht gern kaufen, aber dann wäre wirklich Schluss.
Ich höre ihr zu, nicke, lächle, obwohl ich sie natürlich längst durchschaut habe. Ich bin auch nur ein ganz klein wenig sauer, dass ich mir diesen Blödsinn anhören muss.
Plötzlich lässt sie das Gucci-Thema fallen und kommt mit folgender Geschichte:
»Hör mal, wir gehen doch gleich, oder? Können wir nicht unterwegs bei einer Freundin von mir vorbeifahren? Der schulde ich nämlich Geld, und sie muss es wegen einer ganz dringenden Rechnung unbedingt bis morgen haben. Hast du vielleicht 200 Dollar dabei?«
Diese Masche ist so faul und abgedroschen, dass es mir direkt den Magen umdreht. Klaro, heute Morgen hätte ich dieses alberne Theater noch mitgespielt und ihr die Asche mit einem smarten Spruch dazu rübergeschoben. Aber jetzt finde ich es einfach nur geschmacklos, nach diesem infantilen Sermon über andere Werte praktisch ohne Punkt und Komma auf Kohle überzuleiten. Meine Lust, dieses dumme Huhn abzuschleppen, sinkt mit einem Schlag auf null. Ich merke, dass ich sie mir vom Hals schaffen muss, und zwar fix. Ich nicke ihr lässig zu, erkläre, ich müsse mich schnell noch von Sascha verabschieden, und gehe weg. Als ich mich noch mal umdrehe, kramt sie in ihrer Handtasche. Wahrscheinlich will sie sich zurechtmachen, damit sie richtig sexy aussieht, aber mir ist das inzwischen komplett egal.
Wie ich mir gedacht habe, finde ich Sascha in einer der VIP-Areas, in unmittelbarer Nähe der Bar. Er liegt auf dem Rücken in einem der weichen Sofas, hält eine erloschene Zigarette in der Hand und streichelt mit der anderen einer jungen Frau übers Haar, während sie ihm einen bläst. Ohne zu überlegen, dass ich ihn vielleicht stören könnte, dazu bin ich zu besoffen, lasse ich mich neben ihm in die Polster fallen und warte darauf, dass er fertig wird.
Aus den Augenwinkeln sehe ich das Mädchen an und erkenne auf einmal, dass das verdammt nochmal überhaupt kein Mädchen ist! Mein alter Kumpel Sascha lässt sich von einem Typen den Schwanz lutschen und scheint das auch noch zu genießen! Fuck! Schöne Kumpels habe ich. Jetzt schlägt Sascha die Augen auf, grinst mich an und schickt mir mit zwei Fingern einen lässigen Luftkuss. Das knallt mir
doch glatt die Birne weg. Ich springe auf und sehe zu, dass ich aus diesem beschissenen Laden rauskomme.
Draußen auf der Straße stecke ich mir eine Zigarette an und bringe erst mal ein wenig Abstand zwischen mich und dieses verlauste Lokal. Dann beschließe ich, mir ein Taxi zu nehmen. Ich hebe die Hand, und fast in derselben Sekunde hält eines neben mir. Ich denke flüchtig, dass ich sicher wieder so einen Abzocker von Fahrer erwischt habe und mir lieber ein Schwarztaxi nehmen sollte, steige aber trotzdem ein.
Während wir durch die nächtliche Stadt fahren, versinke ich ganz langsam im Alkoholrausch. Ich spüre, wie mein Blick sich trübt und die Lider schwer werden. Ich reiße mich zusammen, schaue aus dem Fenster, rauche. Eigentlich ist ja nichts weiter passiert, überlege ich. Schließlich hab nicht ich ihm den Schwanz gelutscht. Dann merke ich plötzlich, wie sehr ich es liebe, so durch das nächtliche Moskau zu fahren und seine unzähligen Lichter anzuschauen, die Autos und sogar die Prostituierten, die am Straßenrand stehen. Dabei fällt mir wieder dieses dämliche Weibsstück von vorhin ein. Ich spucke angewidert aus dem Fenster und denke daran, wie wahr doch diese alte Regel ist, die besagt, dass ehrliche Moskauer Fräuleins erheblich teurer sind als Nutten. Mir ist übel, und gleichzeitig fühle ich mich wahnsinnig traurig.
Und ohne dass ich richtig begreife, was mit mir geschieht, fange ich an zu heulen. Ich heule tatsächlich wie ein Schlosshund. Die Tränen fließen mir übers Gesicht, ich wische mir mit den Jackenärmeln über die Augen, schluchze und schniefe. Dabei dachte ich immer, ich sei ein hartgesottener Zyniker.
Was für ein Sodom doch
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