Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
anzutreten und die Tickets für die Reise nach Rostow in Empfang zu nehmen. Und du sollst, wie ich erfuhr, nach Petersburg.«
»Supergeil.« Mehr fällt mir dazu nicht ein. »Wie die Kettenhunde. Können nur bellen, nicht denken. Und was soll ich jetzt machen? Wauwau?«
»Wauwau«, lacht Sergej.
In dem Moment kommt Goscha aus der Marketingabteilung an unseren Tisch.
»Mahlzeit!« Goscha ist ziemlich einfach gestrickt, aber immer guter Laune. Er ist einer der wenigen Alteingesessenen des Konzerns, der es geschafft hat, alle Säuberungen zu überleben. Dabei strengt er sich gar nicht besonders an, und er behält immer seine optimistische Einstellung, egal, was passiert. »Habt ihr den Jahresplan nicht geschafft und bellt den unerreichbaren Bonus an? Oder was ist los, Kerle?«
»Die Kerle sind in der Taiga, Bäume fällen«, gibt Uwarow zurück.
»Was denn, macht man dich endlich zum Verkaufschef für Sibirien? Bringen wir den Eichhörnchen in der Taiga jetzt bei, französischen Mais zu futtern?«
»Nein, man macht mich gleich zum Eichhörnchen. Bis dahin sitze ich hier und lerne bellen, um die Wölfe zu verjagen.«
»Apropos. Hat einer von euch einen Hund?«
»Nein«, antworten wir unisono.
»Brauchst du nicht zufällig einen?« Nun wendet sich Goscha direkt an mich. »Einen modernen?«
»Was denn für einen Hund?«, frage ich kraftlos. Mir dämmert, dass sich Goscha nicht von der Stelle rühren wird, bevor er sein Anliegen losgeworden ist.
»Einen ganz feinen! Cane Corso heißt die Rasse, kennst du die?«
»Ist das die, die in den Modezeitschriften immer als Mafiahund bezeichnet wird?«
»Genau so einer! Meine Bekannten geben ihn kostenlos ab.«
»Ach, lass mal lieber. Ich bin doch nie zu Hause, wer soll da mit ihm Gassi gehen?«
»Normalerweise kosten die anderthalb Mille. Und den hier kriegst du für lau.«
»Gutes Hundchen. Und warum wollen sie ihn weggeben?«
»Na, ja, gekostet hat er anderthalb, aber gefressen hat er bis jetzt schon für achttausend.«
»Oha. Was frisst er denn so am liebsten?«
»Hauptsächlich Markenartikel. Ein paar Taschen von Tod’s, Schuhe von Prada, das Designersofa hat er auch schon komplett verputzt. Die Schuhe der Hausangestellten rührt er nicht an, aber Frauchens Handtaschen findet er immer, selbst wenn sie sie in den obersten Schrankschubladen versteckt.«
»Ein echtes Schickimicki-Hündchen.«
»Kann man so sagen. Also was ist, habt ihr nicht Freunde, die ihn nehmen würden? Das sind so nette Leute, die tun mir wirklich leid.«
»In so einem Fall fragt man nicht seine Freunde, sondern seine Feinde. Lass mich drüber nachdenken.«
»Wenn dir was einfällt, pfeif, ja?«
»Hmhm.«
»Na gut, ich verschwinde dann mal. Überbellt euch nicht, Männer.«
Wir trinken unseren Kaffee aus, und ich versuche mich zu erinnern, wo wir stehengeblieben sind. Ich spule den Gesprächsfaden zurück, finde die Stelle und frage:
»Sergej, das Wesentliche ist mir klar. Aber jetzt sag mir doch mal, was von mir überhaupt erwartet wird? Ich hab wirklich keinen Schimmer, wozu ich nach Petersburg fahren soll.«
»Dann werde ich dich mal kurz mit der Materie vertraut machen. Die Sache ist nämlich die, dass Guljakin da einige Mauscheleien mit seinen Großhändlern betreibt. Ich bin ihm zufällig mal dahintergekommen. Der eine Großhändler kassiert den Löwenanteil aus dem Werbebudget, der andere guckt in die Röhre. Und auf einmal taucht ein dritter auf, keiner weiß, was das für Leute sind und wie die arbeiten. Dafür stecken die auch gleich eine Menge Kohle ein. Alles bei stagnierendem Gesamtumsatz. Kurz, die Sache stinkt. Guljakin richtet inzwischen erheblichen Schaden an.«
»Verstehe. Und was kann ich dabei tun?«
»Eine ganze Menge. Garrideau ist in Rostow, ich werde auch da sein. Dein Besuch ist für Guljakin ein reiner Spaziergang. Du warst nicht auf der Konferenz, du kennst dich in dem Thema nicht aus, jetzt schickt man dich, den Laden zu überprüfen. Na schön, dann prüf halt. Er wird dir einen
großherzigen Empfang bereiten, mit Nutten, Schampus und allem drum und dran. Er hat sicher von deinem Lebenswandel in Moskau gehört. Also geht er davon aus, dass du in Petersburg auch Tag und Nacht auf Tour sein wirst. Deshalb gebe ich dir jetzt einen schlichten Rat. Guljakin hat keine Ahnung, dass ich dich informiert habe. Folglich liegen alle Trümpfe in deiner Hand. Mach ihm irgendwie klar, dass er aufhören soll, Unruhe zu stiften. Sonst läuft hier alles aus dem
Weitere Kostenlose Bücher