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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Uni geschworen, das Zeug nie mehr anzurühren. Aber auf solchen Outsiderpartys verstoße ich immer wieder gegen diese eiserne Regel.
    Ich sitze an meinem Schreibtisch, starre mit trüben Augen auf den Monitor und versuche, mir einen Kaffee einzuflößen. Endlich gelingt es mir, den Computer einzuschalten. Ich gehe sofort zu meinem Nachrichtenportal, lese irgendetwas über den Irak, politische Skandale in der Ukraine und die neueste georgische Initiative, unsere Militärstützpunkte rauszuschmeißen. Dann bleibt mein Blick an einem Banner hängen, das mich darüber informiert, dass »Limonow Zweifel an Putins Regierung hat und von der Möglichkeit eines Bürgerkriegs« spricht. Beim Zusammenklang der Wörter »Limonow« und »Bürgerkrieg« dreht sich mir plötzlich der Magen um. Ich rase aufs Klo und fange an zu reihern, wobei ich mir verständlicherweise keine Gedanken darüber mache, dass mein Gewürge wahrscheinlich in dem leeren Büro wunderbar zu hören ist. Es fühlt sich an, als käme zuerst der Wodka, dann nur noch Galle. Konvulsivische Krämpfe durchzucken meinen Leib, bis mein Magen nichts mehr hat,
was er ausbrechen kann. Schließlich würge ich nur noch Luft nach oben. Kurz vor meinem unvermeidlichen Erstickungstod ist Ruhe. Schweißnass lehne ich mich an die Wand und lockere meinen Schlips.
    Danach spüle ich mir lange mit kaltem Wasser den Mund. Als das nichts hilft, löse ich Seife in einem Glas auf und benutze diese abscheuliche Lösung zum Gurgeln. Anschließend wasche ich mir das Gesicht, warte noch eine Weile ab und trete endlich in den Korridor hinaus.
    Im Büro ist es totenstill. Nichts zu hören von dem üblichen Stimmengemurmel der Kämpfer wider den Einzelhandel, niemand schlendert mit seiner Kaffeetasse in der Hand durch die Gegend, nicht einmal ein Telefon klingelt. Ich setze den Weg zu meinem Büro fort, bleibe stehen, lausche. Tatsächlich, es ist wirklich sehr, sehr still. Seltsam. Ich pumpe Luft in meine Lungen, öffne den Mund und stoße ein langgezogenes Indianergeheul aus: »O-o-o!« Keine Reaktion. Aber dann höre ich plötzlich hektisches Stöckelschuhklappern aus der Richtung der Rezeption, eine Sekretärin kommt um die Ecke gerast und fragt aufgeregt: »Was ist passiert?« Nichts weiter, antworte ich ganz ruhig.
    »Haben Sie eben so geschrien?«
    »Ich habe nicht geschrien, ich habe meine Energie konzentriert. Hals-Ushu, kennen Sie die Methode nicht?«
    »Nein, ich glaube nicht.«
    Ich gehe zurück in mein Büro, und natürlich fragt mich auch meine Sekretärin, was das für ein Geschrei auf dem Gang gewesen sei. Ich erkläre ihr, dass nebenan gerade die neuen Mitarbeiter feierlich in den Geheimbund der Verkaufsmanager aufgenommen werden.

    »Ist das ein Training oder so was Ähnliches?«
    »Genau. So was Ähnliches.«
    Sie reicht mir einen Stapel Papiere zur Unterschrift, ich murmele, ich müsse das natürlich alles zuerst einmal gründlich überprüfen und verlasse fluchtartig den Raum. Mein Ziel ist die Logistikabteilung eine Etage tiefer. Ich weiß nämlich, dass sich in diesen Bärenwinkel unserer Firma selten jemand verirrt, und ich weiß weiterhin, dass es dort ein bequemes Sofa gibt, auf dem ich jetzt ein Stündchen zu schlafen gedenke, eingelullt vom leisen Geraschel der Zollerklärungsformulare.
    Als ich die Logistikabteilung betrete, sehe ich gerade noch, wie unsere heldenmütigen Logistiker Kolja und Witja eilig eine Flasche unter dem Tisch verschwinden lassen. Offenbar haben sie zu so früher Stunde nicht mit Besuch gerechnet.
    »Hallöchen«, begrüßt Witja mich übertrieben leutselig, steht auf und verdeckt wie zufällig den Tisch mit seinem Körper. »Ist irgendwas passiert?«
    »Allerdings. Ich habe einen kolossalen Kater, das ist passiert. Sagt mal, Kinder, kann ich bei euch ein Stündchen auf dem Sofa pennen?«
    »Ach so«,Witja seufzt erleichtert. »Wir haben gerade mit demselben Problem zu kämpfen. Brauchst du was gegen den Nachdurst?«
    »Nein, nein, Jungs, nicht nötig. Vielen Dank, aber ich kann wirklich nicht mehr. Ich lege mich einfach hin, ja?«
    »Klar, keine Sache. Wenn du willst, schließen wir die Tür ab. Eigentlich sollten wir heute Ruhe haben. Der Chef ist auf Dienstreise in Rostow. Seinen Franzosen hat er mitgenommen.«

    »Wann sind sie denn abgehauen?«, erkundige ich mich.
    »Freitag oder so«, sagt Kolja.
    »Dann schließ ab, klar. Ich hau mich hin.«
    Ich mache mich auf dem uralten, gewichtigen Ledersofa lang und fühle mich wie ein

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