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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Kommissar der Roten Armee während des Bürgerkrieges, der in seinem Bürozimmer übernachtete. Ich schlafe tief und traumlos, weder das gelegentliche Klingeln des Telefons noch die leisen Stimmen der Logistiker, die sich über irgendwelche »Fuhren« und »Terminals« unterhalten, stören mich. Ich befinde mich im seltenen Zustand des Wohlbehagens.
    Eine Stunde später begebe ich mich reichlich zerknittert wieder in mein Büro und finde dort unseren Regionaldirektor vor, Sergej Uwarow. Er sitzt in meinem Besucherstuhl, trinkt Tee, telefoniert mit seinem Handy und spielt »Parallel Lines« auf seinem Palmtop. Er sieht mich mitleidig an und fragt:
    »Na, viel geschluckt gestern?«
    »Wer liebt, rechnet nicht«, winke ich ab. »Wartest du auf mich?«
    »Mhmm. Ich habe eine kleine Hundertrubelsache.«
    »Cool. Hast du die hundert Rubel schon meiner Sekretärin gegeben?«
    »Noch nicht. Du weißt ja, sich von Geld zu trennen tut weh.«
    »Wollen wir hier reden, Sergej, oder lieber woanders?«
    »Lass uns in die Kantine gehen, was essen.«
    »Gut. Vielleicht kriege ich ja wenigstens einen Schluck Saft runter.«
    Wir fahren mit dem Fahrstuhl nach unten. Am Büfett bestelle ich eine Suppe und ein Mineralwasser, dann bitte ich noch um zwei Gläser Tomatensaft.

    »Tomatensaft ist schon aus«, sagt die Kassiererin. »Nehmen Sie doch Grapefruitsaft.«
    »Hilft der?«
    »Bisher hat er immer geholfen«, lacht sie. Tja, wie es aussieht, bin ich nicht der Einzige, der montags durchhängt.
    Wir setzen uns an einen Tisch, essen schweigend unsere Suppe und trinken brav unseren Saft. Zum Abschluss nehmen wir beide noch einen Kaffee. Endlich frage ich Uwarow:
    »Schieß los, was gibt es? Wieder mal eine Verschwörung? Will Russland neue Länder erobern? Ich meine, budgetmäßig.«
    »So was Ähnliches«, nickt er. »Du fliegst heute nach Petersburg, habe ich gehört?«
    »Ich fahre mit dem Zug.«
    »Kennst du auch den Grund deiner Reise?«
    »Nee. Ich wollte die Götter befragen, aber die sind auf Geschäftsreise. Veranstalten wahrscheinlich eine Ragnarök in Rostow. Also sitze ich hier und grübele, mein Kopf ist schon ganz geschwollen«, grinse ich.
    »Du bist während der zweiten Hälfte der Konferenz verschwunden«, holt Sergej aus. »Wir haben nebeneinander gesessen, wie du dich vielleicht erinnerst.«
    »Hmhm. Ich bin desertiert. Und? Ist mein Abgang von unserem Sicherheitsdienst dokumentiert worden?«
    »Nein, deinen Abgang hat kaum einer bemerkt, wie du wohl weißt.«
    »Und ob ich das weiß. Dafür habe ich in meiner Abwesenheit die Petersburger Filiale grandios durch den Kakao gezogen,
hat mir Wowa berichtet. Ich muss eine wirklich beeindruckende Rede gehalten haben, bloß schade, dass ich sie nicht hören konnte.«
    »Das kannst du jetzt nachholen. Also pass auf! So gegen Ende der Konferenz wandte sich der Direktor der Petersburger Filiale, Guljakin, direkt an Neker und Kondratow und fing an, ihnen einen Vortrag über die Entwicklungsperspektiven der Region Nord-West zu halten. Es ging um mehr Unterstützung bei der Lancierung neuer Produktlinien, die Vergrößerung des Mitarbeiterstabes und die Bewilligung zusätzlicher Budgets. Der Junge hat wirklich alle Register gezogen, hat mit Händen und Füßen geredet, bunte Dokupapierchen aus der Tasche gezaubert und verteilt, mit schönen Grafiken und Diagrammen. Zwischendurch hat er sogar französisch gequasselt. Mit einem Wort, er hatte sich wunderbar vorbereitet, der Arsch. Danach war die Hölle los. Die Provinzler haben einen Riesenradau veranstaltet, die haben natürlich Morgenluft gewittert. Da bin ich dann dazwischengegangen und hab denen die Meinung gegeigt. Bei der angespannten Wirtschaftlage wäre es ja wohl unverschämt, solche Forderungen zu stellen und so weiter. Dann hab ich an das Fiasko von Guljakins Nord-West im letzten Herbst erinnert, die Probleme mit den Großhändlern und was mir sonst noch Nettes einfiel. Das war eine verschissen gute Polemik, sag ich dir. Ich bin in die Vollen gegangen. Danach war erst mal Totenstille. Dann brachte der Franzose den Vorschlag, Kondratow solle die Lage in den Regionen von unseren Leuten prüfen lassen. Verstehst du?«
    »Klar verstehe ich das. Ich verstehe nur nicht, was das mit mir zu tun hat!«

    »Das frage ich mich allerdings auch. Wahrscheinlich hat Kondratow nachher irgendwas durcheinandergebracht, vielleicht auch seine Sekretärin, jedenfalls ging bei mir am Samstag die Anweisung aus dem Sekretariat ein, am Montag

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