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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Bekannte zu treffen, die etwas dabeihaben, und kommen nach kurzer Zeit mit enttäuschten Gesichtern wieder zum Vorschein. Die Musik ist leise, die Tanzfläche leert sich. Die Mädchen, die in dieser Nacht keinen Partner gefunden haben, kleben in den Ecken wie einsame Glühwürmchen in der Erwartung der ersten Sonnenstrahlen. Ihre Gesichter sind schon bedenklich blass und glanzlos. Langsam bilden sich dunkle Ringe unter ihren Augen, die Wangenknochen, am Abend mit viel Kosmetik geschickt retuschiert, treten hervor. Plötzlich muss ich grinsen:
    »He, guck doch mal, all diese Schönheiten zerschmelzen vor deinen Augen wie Schnee an der Sonne. Eben waren es noch lauter Prinzessinnen, und in einer halben Stunde sitzen da nur noch Aschenputtel! Oder sie verschwinden ganz. Stell dir vor, in einer Stunde ist von ihnen vielleicht bloß noch ein zerknittertes Häufchen bunter Kleider übrig. Geile Vorstellung, was?«
    »Super. Und die Mercedesse auf dem Club-Parkplatz haben sich in Kürbisse verwandelt. Echt heiß!«
    »Nee, hör auf, hier fährt doch jeder zweite einen Kürbis. Die Mercedesse verwandeln sich – puff – in neue Straßen, sanierte Häuser und neue Wasserleitungen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass einige von ihnen unterwegs als Dollarstapel liegen bleiben, mit kleinen Schildchen dran: RENTEN, SUBVENTIONEN, MEDIZINISCHE VERSORGUNG und so was.«
    »Ich glaube, Alter, die Sache ist viel einfacher. Die meisten Mercedesse verwandeln sich in riesige Haufen Koks oder Waffen. Ein kleiner Teil wird zu Wäldern. Schiffsbauholz zum
Beispiel. Dann kommt endlich die Weltgerechtigkeit, die Letzten werden die Ersten sein und der ganze Mist.«
    »Hör mal, während wir uns hier mit Scharfsinn abmühen, lösen sich unsere schönen Unbekannten da auf ihren Sofas in Luft auf. Komm, noch ist Zeit, sie zu retten.«
    Kurz entschlossen setze ich mich in Bewegung, baue mich vor zwei Mädchen auf und sage ungefähr Folgendes:
    »Hallo, Mädels. Sagt mal, wohnt ihr zufälligerweise in Petersburg?«
    »Ja«, antwortet die eine von ihnen vorsichtig. »Warum?«
    »Ach, es geht bloß darum, dass mein Freund, der, der da hinten sitzt – er ist nämlich sehr schüchtern, wisst ihr -, also, mein Freund und ich, wir sind fremd hier, wir kommen aus Moskau. Und jetzt wissen wir nicht mehr, wie wir zu unserem Hotel kommen.«
    Bei dem Wort Moskau leben die Mädchen spürbar auf, ihre Wangen zeigen plötzlich wieder einen Hauch von Farbe, und ihre Augen beginnen zu funkeln. Aber eine fragt lieber noch einmal genauer nach, um auf Nummer sicher zu gehen.
    »Wie heißt denn euer Hotel, Kleiner?«
    »Na ja, das ist dieses Dingsbums, warte mal …« Ich mache ein Schafsgesicht, krame in meiner Tasche herum und bringe schließlich meine Zimmerchipkarte zum Vorschein. »Ich glaube, hier steht es drauf, oder? Ah ja, genau! Newski Palace, wusste ich’s doch! Das ist wohl auf dem Newski-Prospekt, oder?«
    »Doch, das ist auf dem Newski«, plappern jetzt beide los, weil sie begriffen haben, dass sie ein paar dicke Fische an der Angel haben.

    »Also, Jungs, eigentlich sind wir ja keine Stadtführer«, beginnt die pfiffigere von beiden. »Aber macht ja nichts. Wir bringen euch trotzdem hin. Unsere armen Hauptstädter sollen ja nicht verlorengehen, was, Lena?«
    Lena nickt gnädig. »Habt ihr denn wenigstens was zum Aufmuntern in eurem Hotel?«
    »Es gibt Kaffee«, scherzt mein Spießgeselle unpassenderweise.
    »Kaffee?«, fragt sie und kneift die Augen zusammen.
    »Pulverkaffee. Aus Kolumbien. Aber macht euch keine Sorgen«, versuche ich die Situation zu retten, »ich kippe so viel Pulver rein, dass ihr bestimmt nicht einschlaft.«
    »Hahaha!«, lachen sie ausgelassen, was eine angenehme Lüsternheit in meinem Unterleib erzeugt. »Dann können wir ja los. Wir müssen nur noch unseren Champagner bezahlen.«
    »Das lasst mal meine Sorge sein, Mädels.« Mit der Geschicklichkeit eines Taschenspielers hat Vadim seine Kreditkarte hervorgezaubert. »Geht mit diesem Herrn schon einmal vor, ich regele das inzwischen.« In diesem Augenblick hat er eine gewisse Ähnlichkeit mit David Copperfield, nur dass seine Augen einen verräterischen Glanz haben. Ich vermute mal, das war dann auch schon sein einziger Zaubertrick.
    Im Taxi sitzt Vadim zwischen den beiden Mädchen, legt die Arme um ihre Schultern und quasselt von arabischen Scheichs, Harems und sonstigen Attributen des erdölreichen Orients. Ich denke, dass wir ganz bestimmt keine Scheichs sind, sondern

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