Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
Schlussverkauf mit den Klamotten vom Vorjahr einzudecken.«
»Keine Anzüglichkeiten, bitte sehr! Mein Outfit stammt ausschließlich aus der Via Montenapoleone«, lacht er.
»Schön. Das kannst du ja den Mädels hier erzählen. Die fahren bestimmt darauf ab«, gebe ich zurück. »Was ist, machen wir eine Runde, du Modetunte?«
Wir sehen unbestreitbar cool aus. Vadim trägt abgewetzte Jeans und ein ausgebleichtes T-Shirt, dazu Jeans-Loafer von Patrick Cox. Ich selber trage rote Tod’s, zerlöcherte Jeans und ein rotes T-Shirt von Moschino; zwei Schwule oder zwei DJs oder beides zusammen. Wir sehen uns im Saal um und lassen kleine hässliche Bemerkungen über die Leute ab:
»Guck dir mal die Mutti da an! Was für ein Provinztrampel! Die hat ihre beschissene Fluppe auf’ne protzige Zigarettenspitze montiert und weiß nicht mal, wie sie das Ding richtig halten soll.«
»Und die beiden Vollidioten da auf dem Sofa, die schnuppern an ihrem Sowjetschaumwein, als wäre es Crystal Roederer.«
»Aber da hinten kippt einer echten Crystal Roederer. Vielleicht organisieren wir uns welchen und spielen ein bisschen den dicken Max?«
»Nanu? Hast du grad neunhundert Grüne zu viel? Dann gib sie lieber mir, ich hab dafür bessere Verwendung.«
»Okay, okay, holen wir uns eben noch einen Whiskey, ja?«
Wir gehen wieder zur Bar. Ich bin inzwischen schon ganz gut in Fahrt, knalle mein Glas auf den Tresen und rufe dem Barmann jovial zu:
»Man würde gern noch weiterzechen. War das Menü doch reichlich fett!«
»Hä?«
»Schon gut, vergiss es. Man sollte halt seine Klassiker kennen. Der Schuppen hier heißt doch Onegin, oder?«
»Ja, na und?« Bei dem Barmann fällt immer noch nicht der Groschen. »Möchten Sie noch einen Whiskey?«
»Bleib locker, Kumpel«, mischt sich Vadim ein. »Hast du schon mal was von einem gewissen Puschkin gehört? Der Typ hat mal einen Roman in Versen verzapft, weißt du, mit dem Titel Eugen Onegin , da drin ging es um einen anderen Typen, der ständig auf Partys war und so.«
»Und mit irgendwelchen Nutten rumgemacht hat«, kichere ich.
»Ach so, klar, den kenn ich«, sagt der Barmann. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
Eine Weile stehen wir einfach nur da und rauchen. Ich ziehe einen Umschlag aus der Tasche und gebe ihn Vadim. Nacheinander verschwinden wir auf die Toilette. Als wir zurück sind, ist unsere Laune spürbar gestiegen. Wir stehen an der Bar, wippen mit den Füßen zur Musik und setzen unsere
Sticheleien fort. Mein streunender Blick fällt auf ein in dieser Umgebung ziemlich exotisch wirkendes Pärchen, das in einer Ecke des Raumes auf einem Sofa sitzt. Der Typ trägt einen dunklen Anzug und Lackschuhe, dazu Hemd, Krawatte und Brille. Er hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit diesem Schauspieler, der in der Verfilmung von Maxim Gorkis »Das Leben des Klim Samgin« den Titelhelden gegeben hat. Sie trägt einen Rock, billige Stiefel und obenrum irgendwas Farbloses. Ihr Gesicht ist sehr symmetrisch, die Haare dunkel. Er hat schüchtern einen Arm um sie gelegt, flüstert ihr ins Ohr und nippt an einer Kaffeetasse. Sie hört ihm zu, trinkt Weißwein und schaut dabei mit scheuen Rehaugen in die Welt.
»Oha«, sage ich. »Guck doch mal, was für Prachtexemplare! Wie kommen die denn hierher? Der Typ ist bestimmt Kassenwart an einer Hochschule und hat jetzt die Stipendien veruntreut, damit er seine Freundin einmal im Leben in einen angesagten Club ausführen kann. Was meinst du?«
»Nein, mein Lieber. Das ist die Große Liebe! Davon verstehst du nichts!«, prustet Vadim los. »Ich vermute eher, der junge Mann ist ein großer Forscher, hat gerade ein sagenhaftes Stipendium für eine weltbewegende Entdeckung auf dem Gebiet der anorganischen Chemie abgegriffen und führt zur Feier des Tages seine kleine Freundin in die Welt des Glamour ein.«
»C’est l’amour, tatatam! Doch leider nur, tamtam, ja nicht für mich, tatamtatam, entkleide dich! Apropos Entkleiden, da hätte ich nichts dagegen, was? Also ein Chemiker, sagst du? Tja, dann frage ich mich bloß, was er Tolles erfunden
hat, dass er sein Mäuschen sogar ins Onegin ausführen kann.«
»Keine Ahnung. Eine neue Modedroge wird es wohl nicht sein, er trinkt Kaffee.«
Jetzt bemerkt das Mädchen, dass wir sie anstarren. Sie wird rot und sagt etwas zu ihrem Freund. Wir lachen und machen alberne Grimassen.
»Sie sagt ihm, dass sie scharf auf dich ist! Liebling, guck mal, was für ein netter Junge!«, zwitschert Vadim mit
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